: Alles steht Topf
Ein festliches Gericht mit biblischen Zutaten und zudem ein echter Hingucker: Beim Maqlubeh türmen sich Reis, Auberginen und Zucchini dekorativ auf dem Teller
Von Lisa Shoemaker
Das arabische Wort „Maqlubeh“ bedeutet in etwa: das unterste zuoberst gekehrt. Damit sind hier aber nicht die chaotischen Zustände gemeint, die kurz vor Weihnachten in Wohnungen, bei der Bahn und an den Schlangen vor der Kasse herrschen. Es handelt sich vielmehr um ein Reisgericht.
Als weihnachtliches Mahl ist es hervorragend geeignet. Zum einen stammt es aus der Gegend, in der die biblische Geschichte spielte, es enthält Gewürze, die wir als weihnachtlich empfinden, und es kann auf natürliche Weise vegan sein, ohne dass ihr zu industriell Produziertem greifen müsst. Last but not least: es ist ein Hingucker, wenn ihr es an der festlichen Tafel auf eine Platte stürzt, bevor sich die kulinarisch diverse Gästeschar darüber hermacht. Als Gastgeberin muss ich niemandem erklären, was für sie oder ihn essbar ist. Vegan bedeutet automatisch auch laktosefrei, die Hauptzutat – neben dem Gemüse – ist Reis, und der enthält bekanntlich kein Gluten. Bingo.
Als Festessen in arabischen Ländern gehört Huhn oder Lamm hinein, doch Auberginen oder Blumenkohl sowie kleinere Mengen anderer aromatischer Feldfrüchte gehören traditionell dazu. Damit qualifiziert es sich für unseren weihnachtlichen Ansatz, dem wir an dieser Stelle schon oft gefolgt sind: „Alle werden satt!“
Wahrscheinlich handelt es sich ursprünglich um einen Eintopf aus Resten. Man schichtete, was vom Vortage übrig war, in einen Topf, bedeckte es mit Reis, goss Brühe an und kochte es.
Der Nachteil ist, dass man alles vorkochen muss, um es mit dem Reis in einen Topf zu schichten. Doch in diesem Nachteil liegt auch ein Vorteil: die Komponenten lassen sich gut vorbereiten, so dass man am Festtag nur noch den Topf füllen und aufsetzen muss.
Eine mediterrane Gemüsebrühe braucht aromatische Zutaten. Neben Zwiebel, Karotte und Stangensellerie vor allem Paprika und Fenchel (an alle Fenchelabstinenzler: glaubt mir, er trägt dezent viel zum Geschmack bei). Schneidet das Gemüse klein, schwitzt es in Olivenöl 10–15 Minuten an, ohne dass die Zutaten Farbe annehmen, gebt 1–2 Lorbeerblätter, Salz und Knoblauch dazu, bedeckt es mit Wasser und lasst es ca. 30 Minuten köcheln. Abgießen, dann habt ihr die Brühe. Das Gemüse könnt ihr dann mit den anderen Gemüsesorten zum Reis geben.
Seid vorsichtig mit den Mengen: viele Karotten machen die Brühe süß, Sellerie und Kohl sind sehr durchsetzungsfähig. Die Brühe könnt ihr einfrieren, sie hält monatelang.
Bis zu 2–3 Tage im Voraus: Die Auberginen in Scheiben schneiden, salzen, nach 30 Minuten abspülen, trockentupfen und in großzügig bemessenem Olivenöl braten. Im Kühlschrank aufbewahren.
Karotten, Blumenkohl, Kürbis, Paprika und Zucchini könnt ihr im Ofen rösten. Wendet sie dafür in einer Marinade aus Olivenöl, Salz und Pfeffer sowie levantinischen Gewürzen. Vielleicht habt ihr Baharat im Haus, das libanesische Siebengewürz aus Pfeffer, Piment, Koriander, Zimt, Kardamom, Muskat und Nelken, ca. 2 TL pro 1 kg Gemüse. Wer kein Baharat hat, nimmt einfach von den obigen Gewürzen, was da ist, dabei bitte mengenmäßig in abnehmender Reihenfolge, also ordentlich Pfeffer, aber wirklich nur eine Prise Nelke. Außer den genannten eignen sich auch Kreuzkümmel, Fenchelsamen und Chili (zum Beispiel Aleppo oder Urfa). Marokkanisches Ras-el-Hanout, persisches Advieh, sogar Lebkuchengewürz gingen in meinen Augen auch, würde aber bei den Anrainern des östlichen Mittelmeeres Stirnrunzeln verursachen.
Am Tag des Festes bringt ihr Wasser mit Salz zum Kochen und kocht darin Basmati ca. 7–8 Minuten vor. Abgießen und abtropfen lassen. Jetzt geht es ans Schichten: Boden und Seiten eines Schmortopfes (breit, aber nicht hoch) gut einölen. Den Boden mit Auberginenscheiben (Tomaten oder Kartoffeln gehen auch) auslegen. Denkt daran: das Unterste wird das Oberste sein. Die übrigen Gemüse darauf verteilen. Zum Schluss mit dem vorgekochten Reis toppen, alles fest andrücken, damit es möglichst kompakt ist. So viel Brühe angießen, dass der Reis zwar nicht bedeckt ist, die Brühe aber nach oben blubbert, wenn ihr mit der Hand auf die Oberfläche drückt. Zum Kochen bringen, auf kleinste Flamme schalten und den Topf gut verschließen (notfalls zusätzlich mit Alufolie abdecken). Etwa 45 Minuten garen. Prüft, ob der Reis gar ist. 10 Minuten stehen lassen.
Legt die Platte, auf die das Maqlubeh gestürzt werden soll, darauf. Jetzt kommt der schwierigste Teil: wendet ihn. Macht es mit Schwung; je langsamer ihr seid, desto eher geht es schief. Wenn ihr keine Übung habt, übt: Füllt vor dem Kochen den Topf mit irgendwas, es sollte weder zerbrechlich noch hart sein. Legt die Platte darüber und wendet.
Der Ernstfall: Nachdem ihr gewendet habt, stellt die Platte auf den Tisch. Klopft ein paarmal auf den Topf. Wartet eine Minute, dann hebt ihr den Topf ab. Alle Augenpaare sind gespannt auf die Platte gerichtet, wenn der Topf in euren Händen nach oben schwebt.
Wenn es schiefgeht, dann passiert Folgendes: Das Maqlubeh steht. Stolz hebt sich eure Brust, doch nach ein paar Sekunden bröckelt der Turm und sinkt in sich zusammen, auch eure Schultern sacken ab. Der Inhalt verteilt sich auf der Platte. Doch ihr seid vorbereitet: Nehmt den Servierlöffel und schiebt den Reis ansehnlich auf der Platte zurecht, greift nach der Schüssel mit den rubinroten Granatapfelkernen und streut sie über das Maqlubeh, gefolgt von Kräutern, je nach Geschmack Koriander, Minze oder Petersilie und gerösteten Pinienkernen. Voilà!
Dazu serviert ihr Joghurt, den ihr mit Olivenöl, Salz und Pfeffer, Tahin, Minze und/oder Zitronenabrieb verfeinert.
Eigentlich sollte es Fleischessern überhaupt nicht auffallen, dass ihre Gelüste zu kurz kommen. Wenn ihr ihnen dennoch etwas bieten wollt, schmort etwas Huhn oder Lamm mit den gleichen Gewürzen und Zwiebeln, nach dem Gulaschprinzip – auch das lässt sich vorab einfrieren. Ihr stellt dann ein Schälchen zum Maqlubeh dazu.
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