orte des wissens: Eine Sprache nicht nur für den Heimatabend
Die Ferring-Stiftung in Alkersum auf Föhr sammelt, was sie kriegen kann, und betreibt emsig den Erhalt des Nordfriesischen
Es gibt Worte, die hören die meisten von uns nie. „Öömrang“ zum Beispiel, oder „Fering“. Wer wissen will, was sie bedeuten, fährt am besten nach Nordfriesland, auf die Inseln Amrum und Föhr. Dort wird Friesisch gesprochen. „Öömrang“ ist dessen Amrumer Unterform, „Fering“ die von Föhr.
Die Ferring-Stiftung (ja, mit Doppel-r) in Alkersum auf Föhr sorgt dafür, dass die beiden Minderheitensprachen erhalten bleiben. „Wir verstehen uns als Identität stiftenden und stärkenden Raum dafür“, sagt Skandinavist Robert Kleih der taz. Derzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung, ab Anfang 2024 wechselt er in den Vorsitz.
Es gibt eine Bibliothek und ein über 100.000 Fotos starkes Bildarchiv von Amrum und Föhr, beginnend ab 1850. Zudem eine genealogische Sammlung, Sammlungen nordfriesischer Texte und Sprachaufnahmen. Das Radiostudio „FriiskFunk“ sendet an fünf Tagen der Woche über den Offenen Kanal Westküste live in Nordfriesisch, von Politik bis Theater, von Gesundheit bis Wissenschaft. Und im jüngst eröffneten Online-„FriiskShop“ gibt es Kinderbücher und Adventskalender, Grußkarten und ortsgeschichtliche Bücher, ein Hörspiel auf CD und Nordfrieslands Gelb-Rot-Blau-Flagge als Pin.
Auch das Album „Spöören“ der Föhrer Folkband „Kalüün“ ist hier zu haben. Das begibt sich, nicht zuletzt auf Fering, „auf die verwehten Spuren der alten, fast vergessenen Balladen und Tanzstücke der Insel Föhr“.
Ohne die Heimatverbundenheit von Frederik Paulsen, als Gegner des NS-Terrors in den 1930ern lange inhaftiert und danach in die Schweiz emigriert, gäbe es diesen Ort heute nicht. Seine Stiftung organisiert Vorträge und hält Tagungsräume bereit, gibt Sprachlehrbücher heraus und Liederbücher mit Noten, veröffentlicht in ihrer Reihe „Nordfriesische Quellen und Studien“ Forschungsergebnisse, von der Seefahrtsgeschichte bis zum Lexikon friesischer Redewendungen. Die Kontakte zu den Universitäten Flensburg und Kiel, die beide Frisistik lehren, sind eng.
Wenn die Stiftung eines nicht ist, dann dies: elitär. „Wir bekommen viel Feedback aus der Bevölkerung“, sagt Kleih, der natürlich selbst Friesisch spricht. „Auch viel neues Material, hauptsächlich über Nachlässe.“
Besonders wichtig ist ihm der Spracherhalt. Über ein Drittel der rund 8.000 Einwohner von Föhr spricht aktiv Friesisch. „Mehrheitlich im Inselwesten“, sagt Kleih. „Und das als normale Sprache im Alltag, nicht nur auf Heimatabenden. Das hörst du auf der Straße, im Supermarkt.“ Die Zahl ist konstant. Aber der Segen des Tourismus ist auch zugleich ein Fluch: Viele Häuser kosten mittlerweile siebenstellige Summen. Insulaner wandern aufs Festland ab. „Auf Sylt haben wir gesehen, wohin das führen kann“, sagt Kleih. „Mit den Dorfgemeinschaften bricht die Sprachcommunity zusammen.“
Robert Kleih, Ferring-Stiftung
Ein Problem einer Minderheitensprache: Wie spreche ich jemanden an, dem ich im Sprachraum begegne? „Ich weiß ja nicht, ob er Friesisch spricht“, sagt Kleih. „Also nehme ich Hochdeutsch.“ Vielleicht könnte ein Button helfen: „Ich spreche Friesisch!“ Immerhin wird es bald ein neues Wörterbuch geben, 1.100 Seiten stark, nach fünf Jahren Planung. Kleih, der sich in der Stiftung als Modernisierer versteht, sagt: „Das wird dann auch eine Onlinepräsenz haben.“ Auch über Google Translate für Friesisch denkt er nach.
In der Ferring-Stiftung herrscht übrigens nicht nur lokale Inselidylle. Auch Ernest Hemingway ist hier ins Friesische übersetzt worden sowie Wolfgang Borchert, in Kooperation mit der „Eilun Feer Skuul“, der Insel-Föhr-Schule aus Wyk, einem Gymnasium, an dem auch Friesisch unterrichtet wird: Eine Sprache braucht junge SprecherInnen, sonst stirbt sie. Auf Föhr stirbt sie nicht. Harff-Peter Schönherr
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