kritisch gesehen: van der brügge in hamburg: Live noch Luft nach oben
Angerichtet war nicht nur der Kuchen: Am Sonnabend trat die Hamburger Gruppe Van der Brügge im Obergeschoss des dortigen Pudel-Clubs auf, manchmal neckisch „Zwölphi“ genannt. Van der -wer? Mit dem Düsseldorfer Andreas van der Wingen (ehemals bei den Bands Kiesgroup und Oiro)und dem „Hausmeister der Hamburger Schule“ Pascal Fuhlbrügge (Ex-Kolossale Jugend; Mitgründer des Labels L’ Age D’ Or), haben sich zwei gefunden, deren Zusammenkommen man vermissen müsste, wäre es ausgeblieben.
Schon bei den Singles „Alle Sirenen der Stadt“ und „Gecko“ließ sich im Jahr 2020 anhören, in welcher nie infrage zu stellender harmonischer Plausibilität diese Kombination aufgeht: Fuhlbrügges elektronischer Unterbau und van der Wingens kluge, gesprochene Texte. Zu Songstrukturen weiterentwickelt und mit Joachim Franz Büchner zur Band angewachsen, skandierten Van der Brügge und Gäste gegen „engstirnige Regelgläubigkeit“ an, der sie sich selbstredend weiterhin nicht unterwerfen. Das Debütalbum „Du hast doch noch Zeit“ ist das ausdifferenzierte Ergebnis dieser Entwicklung und gab Anlass zu feiern.
Van der Brügges Album „Du hast doch noch Zeit“ ist am 27. Januar bei Hand11 (Vertrieb: Hanseplatte/Misitunes) erschienen
Das Pudel-Dachgeschoss war gut gefüllt, man kennt sich in Hamburg, man unterstützt sich auch. Das angekündigte Special – Kuchen! – war ein netter Einfall. Die Band – erweitert um Gastsängerin Charlotte Pfeiffer, auch auf dem Album zu hören –, spielte, sang, fiebte und fluoreszierte sich durch den Abend: Synthesizer, Klavier, Laptop, Gitarre, Stimmen bildeten die von der Platte bekannte Einheit, dazu kamen nun Visuals, und am Ende legten alle noch ein paar Platten auf, Joy Division und Stevie Wonder, Wire, The Fall und Can.
Der Abend hat Spaß gemacht, dieser Text könnte nun enden. Wären Van der Brügge nicht eine Band, die mehr Potenzial besitzt, als sie an diesem Abend abgerufen hat. Am Sonnabend nun, am Rand des Hamburger Hafens, gab es keine Ausreißer, auch keine nach unten – aber halt auch keine Höhepunkte. Man habe nur einmal proben können, war zu erfahren. Düsseldorf, Hamburg, Dithmarschen: Die Heimatbasen der Beteiligten liegen halt nicht direkt um die Ecke. Mit mehr Zeit hätten Van der Brügge ihr Potenzial sicher auch im Konzert abrufen können. Zum Glück gibt es ja noch die Platte.
Kevin Goonewardena
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