piwik no script img

das wird„Man geht hin, auch wenn man die Musik nicht kennt“

Programmmacher Sebastian Tim über zehn Jahre „Hanse Song Festival“ in Stade

Foto: privat

Sebastian Tim

40, aufgewachsen in Harsefeld, hat als Jugendlicher erste Konzerte in Stade mitveranstaltet. Das HSF-Programm gestaltet er von Anfang an, inzwischen mit seiner eigenen Agentur.

Interview Kevin Goonewardena

taz: Herr Tim, das „Hanse Song Festival“ in Stade feiert an diesem Wochenende sein zehnjähriges Bestehen. Erinnern Sie sich noch an die ­Anfänge?

Sebastian Tim: Ziemlich gut sogar. Ich habe damals bei Tapete Records gearbeitet, wir hatten schon länger ein Konzept für ein Singer/Songwriter-Festival in der Schublade. Auch weil ich selbst aus der Nähe von Stade komme und dort zur Schule gegangen bin, haben wir Kontakt zur Stadt aufgenommen und danach einen Testballon gestartet.

Was für einen?

Eine kleine Veranstaltung mit drei Acts, um einfach mal zu gucken, wie so was in einer Stadt funktioniert, die jetzt nicht gerade für ihre pulsierende Livemusikszene bekannt ist. Und es hat super funktioniert. Man hat gleich gemerkt, da ist eine Nachfrage da.

Von Hamburg aus fährt man eine Stunde nach Stade, eine Autobahn gibt es nicht. Hinter Stade kommt dann auch nichts mehr. Hatten Sie keine Bedenken?

Bedenken gab es überhaupt keine, wir haben einfach gemacht. Ich hatte mitbekommen, dass die Stadt im Kunsthaus Stade ganz tolle Sachen auf die Beine stellt. Damals lief eine Daniel-Richter-Ausstellung – Daniel Richter in Stade, das habe ich überhaupt nicht zusammengebracht. Das hat mich dann schon ein bisschen getriggert, und ich wollte herausfinden, wie es dazu kam. Als der Kontakt zur Stadt und dem neuen Kulturchef Andreas Schäfer zustande kam, wurde klar, dass da jemand sitzt, der sehr offen und an zeitgenössischer Kunst und Kultur interessiert ist. Mit ihm zusammen haben wir das HSF dann ausgetüftelt.

Bei dem Festival treten die Künst­le­r:in­nen nicht auf der grünen Wiese auf, nicht auf Bühnen in der Stadt oder in den örtlichen Clubs und Kneipen – stattdessen in Kirchen, dem Rathaus und sogar dem Landgericht

In einer Stadt wie Stade hat man natürlich nicht die Clubdichte wie in Hamburg, aber es gibt einzigartige Orte wie den Königsmarcksaal im Rathaus. Der hat einen ganz eigenen Vibe, Flügel inklusive. Dort ein Klavierkonzert zu sehen, ist was Besonderes. Oder der Raum im Gericht, der ist ganz klein, da passen vielleicht 50 Leute rein. Aber wann kann man schon mal ein Konzert in einem Gericht besuchen?

„Hanse Song Festival“ mit Jochen Distelmeyer, Sophia Kennedy, Die Zimmermänner, Fritzi Ernst u. a.: Sa, 5. 11., 17 Uhr, Stade, div. Orte. Infos und Programm: www.hansesongfestival.de

Hat sich in den zehn Jahren, die es das Festival nun gibt, in der Stadt etwas verändert?

Es ist jetzt nicht so, dass wir Stade aus dem Dornröschenschlaf geholt hätten, dort gab und gibt es ja Kulturarbeit. Aber was ich von vielen Stade­r:in­nen gehört habe, ist, dass das HSF mittlerweile so im Bewusstsein ist, dass man da einfach hingeht. Man kauft sich ein Ticket, auch wenn man die Künst­le­r:in­nen nicht kennt, weil man weiß, dass es gut wird. Vielleicht nimmt man am Ende sogar noch zwei Platten mit. Die Leute besuchen die Konzerte und sind danach beseelt. Das habe ich jetzt schon öfter gehört und das macht mich glücklich. Weil es eben auch ein anderes Publikum ist, als das, was ständig in irgendwelche Hamburger oder Bremer Clubs rennt.

Welche Auswirkungen hat Corona auf das Jubiläum?

Was den Ablauf und das Konzept angeht, knüpfen wir nahtlos an die Zeit vor der Pandemie an. Aber statt wie sonst im Frühjahr, findet das Festival erstmals im November statt. Und auch wir merken die Pandemie bei den Ticketverkäufen. Wo wir sonst viel früher Richtung „Ausverkauft“ gegangen sind, tun wir das jetzt nicht. Es ist, wie es ist. Umso schöner ist es, dass so ein Festival mit Unterstützung der Stadt trotzdem weiter stattfinden kann. Wir haben den Auftrag, Kultur anzubieten und den Menschen zu zeigen: „Hier, lebt das.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen