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Basketball-EMBlaufuß im Halbfinale

Deutschland schlägt den Favoriten Griechenland 107:96. Superstar Giannis Antetokounmpo kann nichts ausrichten. Beim DBB-Team gefällt Franz Wagner.

Gute Defense: Giannis Antetokounmpo kommt nicht zum Zug Foto: Soeren Stache/reuters

Es gibt ja diese Zeitgenossen, die ihre völlige Gewöhnlichkeit zu überdecken versuchen, indem sie bunte oder geringelte Socken zum Business-Einheits-Look tragen. Franz Wagner gehört nicht zu diesen Menschen, obwohl er nach dem Spiel beim Auftritt vor den Journalisten links eine weiße Socke trug und rechts eine blaue.

Aber letztere war gar keine Socke, sondern eine Bandage aus dem Sanitätshaus. „France“, wie der NBA-Profi der Orlando Magic von der englischsprachigen Presse genannt wird, spielte mit lädiertem Knöchel, und es gehört zu den wundersamen Geschichten dieser Basketball-Europameisterschaft, dass der 21-Jährige sich nichts, aber auch gar nichts anmerken ließ. Die Auferstehung des Franz aus dem Berliner Winsviertel erfolgte unter Mitwirkung von Spezialisten aus Florida, die sich in Berlin um die Wagner-Brüder kümmern.

Der griechische Trainer Dimitrios Itoudis, an dem ein Conferencier verloren gegangen ist, vermutete sogar eine Injektion in den Fuß, nur so konnte er sich das zwingende Spiel des Deutschen erklären. Nein, sagte Franz Wagner, das sei falsch, jedenfalls habe er davon nichts mitbekommen. Die Spezialisten hätten ein paar Tests mit seinem Fuß gemacht, und alles sei vielversprechend verlaufen. Zehn Minuten vor diesem Statement saß Wagners Gegenspieler auf dem gleichen Stuhl vor der Presse: Giannoulis Larentzakis, der nicht nur den Fuß des Deutschen auf eine harte Probe stellte, sondern auch dessen Nerven.

Er textete Wagner als direkten Gegenspieler zu, reizte ihn, nahm ein Angreiferfoul auf, machte auf seine Art – 18 Punkte bei einer 100-prozentigen Trefferquote aus dem Feld – ein bemerkenswertes Spiel, aber er kam nicht, wie es in der Sportsprache heißt, in den Kopf des Gegners. „Ich mag solche Situationen“, sagte Wagner. „Einige meiner Spieler haben gekämpft wie die Löwen“, sagte Itoudis und blickte kurz rüber zu Larentzakis, „aber es hat nicht gereicht.“

Deutschland zieht ins Halbfinale ein

Alle Spieler des Deutschen Basketball-Bundes, DBB, schienen an diesem Abend „solche Situationen“ zu mögen. Das Team zog nach einem beeindruckenden 107:96 über den Turnierfavoriten Griechenland ins Halbfinale gegen Spanien ein. Die Partie steigt am Freitag vor wohl wieder gut 14.000 Fans in der ausverkauften Arena am Ostbahnhof. Es ist 17 Jahre her, dass ein deutsches Team in der Vorschlussrunde eines großen Turniers stand (EM 2005).

Der Gewinn des letzten Europameistertitels geht auf das Jahr 1993 zurück. Am Dienstagabend geisterte wohl so manchem Zuschauer eine Zeile aus einem Fehlfarben-Song durch den Kopf: Geschichte wird gemacht, es geht voran! Für Pathos bleibt sicherlich noch genügend Zeit, aber die Zahlen, die sich in der Lostrommel der Deutschen fanden, schienen aus Basketball-Utopia zu sein: Eine Dreierquote von 55 Prozent bei 31 Versuchen, wobei Franz Wagner und Scharfschütze Andreas Obst allein 10 von 14 Würfen von weit draußen trafen. Im dritten Viertel gelang dem DBB-Team ein Run von 20:1, und die Defense erklomm in dieser Phase ein neues Niveau. Dennis Schröder machte sein bestes Spiel bei dieser Eurobasket, erzielte 26 Punkte, lenkte das Geschehen cool und darf sich nach diesem Auftritt wohl bald schon über einen neuen NBA-Vertrag freuen.

Dass er mit zwei technischen Fouls kurz vor Schluss in die Kabine musste, wie vor ihm Giannis Antetokounmpo mit zwei unsportlichen Fouls, war nur eine Randnotiz in einer wahrlich rauschhaften zweiten Halbzeit. Die langen Lulatsche schafften es mit zunehmender Spielzeit tatsächlich, den in jeder Hinsicht großen Giannis Antetokounmpo in seinem Wirkungskreis einzuengen; der Profi der Milwaukee Bucks machte zwar trotzdem noch 31 Punkte, aber das reichte bei weitem nicht, um Griechenland im Spiel zu halten. 46:32 lautete die Rebound-Bilanz.

Daniel Theis griff sich 16 (!) Abpraller, noch so ein gigantischer Wert, der so manchem Routinier auf den Rängen die Gewissheit gab, er habe dem besten Spiel einer deutschen Basketballmannschaft in der Geschichte dieses Sports beigewohnt.

Das gibt schon einen Push

Franz Wagner freut sich, dass die Spiele jetzt im Free-TV zu sehen sind

„Ich habe gespürt, dass sich diese Spieler auf einer Mission befinden“, sagte Bundestrainer Gordon Herbert, der die besondere Stimmung seiner Leute in der Halbzeitpause aufgenommen hatte, die Kompromisslosigkeit und den unbedingten Willen, etwas Historisches zu schaffen: „Das ist unglaublich für den deutschen Basketball, diese Erfolge bei einer Heim-EM zu haben. Auf unser Spiel können sich die Fans beziehen, sich damit identifizieren.“

Dieser Prozess ist nun spätestens nach dem siebten Spiel der DBB-Auswahl angelaufen. Basketball ist aus der Nische der Streaming-Übertragung auf Magenta Sport heraus; RTL übertrug die Partie erstmals im Free-TV und zur Prime-Time vor größerem Publikum – mit Dirk Nowitzki als Experten. „Das gibt schon einen Push“, nuschelte Franz Wagner auf der Pressekonferenz, „jetzt geht alles“. Er wird sich dann erstmal etwas Eis auf seinen blauen Fuß gelegt haben.

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