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„Raus aus der Theorie, rauf auf die Straße“

Für Jessica Leffers endet Barrierefreiheit nicht mit dem Aufzug am Bahngleis

Foto: Blauschimmel Atelier

Jessica Leffers 41, leitet das „BlauschimmelAtelier“, das Künstler:innen gegründet haben, um die Kunst von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung zu fördern.

Interview Leopold Pelizaeus

taz: Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis 5. Mai veranstalten Sie von heute bis Sonntag in Oldenburg die Inklusionswoche. Was genau passiert da?

Jessica Leffers: Das Aktionsbündnis 5. Mai besteht aus Ver­tre­te­r:in­nen verschiedener Einrichtungen und Selbsthilfegruppen, die mit Inklusion zu tun haben. Im Zentrum steht wieder die Demo der Vielfalt, die in diesem Jahr am 7. Mai stattfinden wird. Und unser Anliegen ist es, auf Barrieren, die immer noch existieren, aufmerksam zu machen und konkret zu zeigen, wie Barrieren abgebaut werden können, wie ein inklusives Zusammensein aussehen kann. Kurzum: Wir möchten auf Missstände hinweisen.

Womit werden sich die Workshops, Lesungen und Informationsveranstaltungen beschäftigen?

Das Autismus-Therapiezentrum informiert über die Wahrnehmung von autistischen Menschen. Dann gibt es zahlreiche künstlerische Aktionen: Das Blauschimmel-Atelier wird mit verschiedenen inklusiven Theatergruppen auf kreative Art Barrieren in der Innenstadt bespielen. Es werden auch Filme gezeigt, die sich mit Inklusion beschäftigen. Und die Schreibwerkstatt des Begegnungszentrums Propeller tritt auf: In einem Slam präsentieren Menschen mit psychischer Erkrankungen ihre eigenen Texte.

Inklusion deckt ein breites Feld ab und umfasst Menschen mit ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Wie schaffen Sie es, Formate für alle zu entwickeln?

Alle Einrichtungen, die an der Aktionswoche beteiligt sind, arbeiten mit spezifischen Gruppen zusammen, zum Beispiel mit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen oder mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum. Diese Einrichtungen entwerfen dann Veranstaltungen, die für die Inklusionswoche konzipiert sind. Durch diese Bündelung der Aktionen und dadurch, dass die Woche mittlerweile eine feste Institution in Oldenburg ist, erreichen wir eine breite Öffentlichkeit.

Wer kann mitmachen?

11. Oldenburger Inklusionswoche: heute, 5. 5., bis So., 8. 5.; Demons­tration im öffentlichen Raum: Sa., 7.5., 11 Uhr, ab Bahnhofsplatz.

Das ganze Programm unter: www.ol-inklusiv.de

Wir sind offen für alle.

Lange verband man „barrierefrei“ mit Rollstuhlrampen. Was hat sich in den inzwischen elf Jahren Inklusionswoche getan?

Barrierefreiheit wird nach wie vor sehr häufig mit räumlicher Barrierefreiheit gleichgesetzt. Und da geht es dann vor allem um Rampen. Aber natürlich ist einfache oder leichte Sprache total wichtig. Wie kommuniziert man? Wie hilft man Menschen, sich zurechtfinden und zu orientieren? Und natürlich sind Barrieren im Kopf häufig das allergrößte Hindernis. Deshalb finde ich es wichtig, dass Betroffene ihre Forderungen auf die Straße bringen und man nicht im theoretischen Diskurs bleibt.

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