wortwechsel
: „Sieger bleiben ist nicht mehr das Gebot der Zeit“

Frieden – ein Traum? Was hilft in dieser Zeit des Krieges in der Ukraine „wirklich“? Was steht alles auf dem Spiel? Rüsten wir uns jetzt auch noch zu Tode? Was heißt hier „Sieg“?

6. März 2022: Flucht über eine schon zerstörte Brücke in Irpin, in der Nähe von Kiew, Ukraine Foto: Oleksandr Ratushniak/ap

Liebe taz, euer Netzwerk von Menschen in der Ukraine und in Russland, mit ihren persönlichen Eindrücken und Analysen vor Ort, die interessanten Expert:innen-Interviews, eure eigenen Texte – ihr wart wirklich eine sehr vielseitige Hilfe in den letzten Tagen. Danke! Tobias Rischer, Shelri Drugdra School, Saldang, Nepal

Weiße Fahnen grüßen …

Ich hätte einen Vorschlag. Unser Kanzler gibt die Losung aus: Wir treffen uns an der Grenze der Ukraine zu Russland in einer großen Wolke weißer Laken – Millionen von Europäern aus dem Westen grüßen den östlichen Teil mit weißen Fahnen ohne Waffen. Und das Geld für die Aufrüstung geht in die Friedens- und Klimabewegung! Eine nicht machbare Utopie? 14 Tage Generalstreik Europas gegen Putin und Russlands Doktrinäre, bezahlt aus der Kasse der Aufrüstung. Bahn, Flieger, Busse, Hotels sind kostenlos und der Weg führt bis Moskau. Das wäre billiger und effizienter als der ganze andere Wahn. Es wäre wirklich ein Ende der Nationalstaatsmeierei, es ergäbe sich ein Neuanfang und wir Europäer könnten gemeinsam eine Zukunft aufbauen.

Bernd Krömmelbein, Köln

Atommeiler der Ukraine

Die Ukraine ist quasi mit Atomkraftanlagen „gepflastert“. Wir hier in Europa diskutieren ob des bedrohlichen Klimawandels über die Wieder- und Weiternutzung der Atomkraft – und Putin nimmt sich mit der Ukraine die größten europäischen Meiler … Der Zugriff auf Energie bedeutet in den heutigen industriellen Wirtschaftsunternehmen Macht und Überleben.

Arne Reetz-Christ, Stade

Bilder nach Russland!

Ich befürchte, meine Nachricht wird in diesen Zeiten untergehen. Dennoch versuche ich es, die Verzweiflung wird größer. Könnte man massenhaft USB-Sticks mit Bildmaterial aus der Ukraine (natürlich journalistisch geprüftes Material) über Russland „abwerfen“? Statt Flugblättern? Halten Sie mich gerne für naiv. Ich will nur nichts unversucht lassen.

Anke Helmers, Sandkrug

Putin „überempfindlich“?

„‚Hat Putin Kinder?‘, fragt meine Tochter“, taz vom 5. 3. 22

Die russischsprachig aufgewachsene Schriftstellerin Lana Lux, geboren 1986 in der Ostukraine, erinnert sich ihrer Herkunft und wird mit der Frage „Hat Putin Kinder?“ von ihrer kleinen Tochter konfrontiert.

In Erinnerung kommt ihr, dass sie Anfang der 1990er Jahre ukrainisch lernen musste, ja, ihr Familienname „eingedeutscht“ wurde. Chukovskaja in Chukovska. Die Überempfindlichkeit der Putin-Administration hat also reale Gründe, wie vieles andere auch.

Das weist einen möglichen Ausgang aus dem Krieg: Auch Bandera, der Nazi-Kollaborateur, darf nicht Nationalheld einer in die EU strebenden Ukraine bleiben.

Klaus Warzecha, Wiesbaden

Wege des Widerstands

Stell dir vor, es ist Krieg – und kein Russe geht hin! Ein Traum! Obwohl die Mehrheit der russischen Soldaten wohl selbst gegen den Krieg ist! Deutschland sollte die Ukrainer ab sofort zum unbewaffneten, passiven Widerstand aufrufen.

Unbewaffneter, passiver Widerstand in der Ukraine würde die weitaus meisten Menschenleben retten, die Infrastruktur erhalten und die Flucht begrenzen! Es ist nie zu spät! Ottmar Ulpts, Emden

Macht der Konsumenten

Leute, kauft bitte keine Produkte mehr von Firmen und Konzernen, die weiterhin Handelsbeziehungen mit Russland unterhalten. Fordert die Firmen und Konzerne auf, den vollständigen Abbruch der Handelsbeziehungen und Beteiligungen mit russischen Firmen zu dokumentieren. Alle Konsumenten zusammen haben eine riesige Marktmacht und können mit ihrem Kaufverhalten Druck auf Firmen und Konzerne ausüben, die mit diesem sinnlosen und völkerrechtswidrigen Krieg Umsatz generieren wollen.

Eckhard Grigo, Ingelfingen

Keine Aussicht auf „Sieg“

Es gibt keine Aussicht auf einen Sieg für die Ukraine. Wenn Selenskyj klug ist, wird er zügig die Kapitulation unterschreiben, um weiteres unnötiges Leid für die Ukraine zu vermeiden. Will er keine Ukraine als Teil Russlands, dann soll er zügig eine neutrale Ukraine sous les yeux de la Russie herausverhandeln. Mehr ist nicht drin, alles andere sind unrealistische Träume.

Wenn es der Ukraine aber gelingen sollte, Europa in einen Weltkrieg zu ziehen, dann wird das Ergebnis nicht der Sieg der Ukraine sein, sondern die totale Vernichtung Europas.

Arnulf Mainzer, Gołdap, Polen

Planet sucht Mitarbeiter!

Für viele Politiker und Medien scheint es völlig klar zu sein, dass wir uns von Putin das Gesetz des Handeln vorschreiben lassen müssen: Er macht Krieg, also müssen wir gegenhalten!

Aber ist es „unterlassene Hilfeleistung“, wenn der Westen sich nicht zum Kampfgefährten macht, weil er weiß, dass so das Töten nur verlängert und intensiviert würde? Wird auch an die Menschen gedacht, die weit weg von der Ukraine leben, aber bald verhungern werden, weil die Weizen- und Energielieferungen ausbleiben? Wird auch an die Umwelt gedacht, die durch Waffenanwendung und Ressourcenvergeudung weiter leidet? Nicht nur Putin wird einen Preis zahlen für sein Verhalten. Sieger bleiben zu müssen, ist nicht mehr das Gebot unserer Zeit. Für die Erhaltung einer bewohnbaren Erde brauchen wir viele Bundesgenossen und Partner, es müssen keine Freunde sein, aber „Mitarbeiter“! Besiegte oder Sanktionierte sind schwer für eine gemeinsame Anstrengung zu gewinnen. „Appeasement“ mag ein Schimpfwort gewesen sein, heute ist es ein Wort für Rettung. Nicht das Streben nach Autonomie in Politik und Wirtschaft sollte die Devise sein, sondern bewusste gegenseitige Abhängigkeit.

Georg Fritzen, Düren