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Liebling der Massen Uli HannemannDiese rollsplitartige Bekörnung von Hilfsschrippen

Der Bäcker am Schlesischen Tor hat sein Profil den Bedürfnissen der Umgebung angepasst, denn der trotz Covid nie ganz versiegte Strom des Partyvolks hat andere Vorstellungen vom Begriff „Frühstück“. Also hat man die Gebäckauslagen und damit auch den verzehrfähigen Content verringert und dafür ungefähr zehn riesige Bierkühlschränke aufgestellt. Der Laden nennt sich nun „Crazy Schlazy“ oder „Beer & More“ – ich hab nicht wirklich so darauf geachtet.

Die wenigen echten Anwohner, die einfach nur Brötchen holen wollen, keilen sich daher nun jeden Sonntagmorgen um ein unnatürlich verknapptes Angebot. Es gilt das Recht des Früheren, und oft bin ich zu spät. Dann kauft mir irgendein Arschloch die letzten Brotteigwaren vor der Nase weg, während ich ohnmächtig mit den Zähnen knirschend danebenstehe. Wenn ich mit irgendwelchen Hilfsschrippen zu meiner enttäuschten Frau nach Hause komme, für die ich nicht zu sorgen vermochte, koche ich noch immer vor Wut über den asozialen Gierhals. Kurz denke ich auch, dass ich das durchgeknallte Prepper-Schwein gern getötet hätte, ehe ich dann doch ein wenig über mich selbst erschrecke.

Manchmal läuft es aber auch andersrum, und ein Kunde, der mir verdächtig nach Brötchenwunsch aussieht, kommt erst nach mir dran. Eine große Genugtuung. Süffisant grinse ich ihn unter meiner Maske an. Haha, du Pfeife, du Loser, du armer Wicht, denke ich, und so wie er guckt, habe ich vielleicht auch laut gedacht. Wie immer in solchen Fällen kaufe ich den ganzen Rest. Verbrannte Erde. Lieber schmeiße ich am Ende was weg – Hauptsache, es fällt der Konkurrenz nicht in die Hände. Das wird ihr eine Lehre sein.Doch kaum zu Hause, fällt alle Rücksichtslosigkeit wie Staub von mir ab. Denn heute gab es nur ein letztes Laugenbrötchen, und das soll meine Frau haben. Ich habe es für sie erbeutet, und lege es ihr nun zu Füßen. Ich bin nicht wichtig, ich kann stattdessen auch zwei der klobigen Kartoffelbrötchen essen, die wie Wackersteine im Magen liegen.

Allerdings habe ich die Rechnung ohne ihren Altruismus gemacht. Sie sagt, ich bekäme das Laugendings. Da stünde quasi mein Name drauf. Ich möge das doch so gern. Sie selbst käme auch mit so einem Dinkelkrusti klar, dessen rollsplitartige Bekörnung immer zwischen den Zähnen steckenbleibt. So geht es hin und her: Nimm du, nein du, nein du.

Dieser Wettstreit der Güte laugt mich irgendwie aus. Wer ist der bessere Mensch, wer haut dem anderen gewissenstechnisch härter in die Schnauze. Hinter der scheinbaren Generosität steckt eine ähnlich passiv-aggressive Attitüde wie hinter der neutestamentarischen Forderung „auch noch die andere Wange hinzuhalten“. Dabei möchte man das aus Sicht des Schlägers vielleicht gar nicht. Das ist ja auch anstrengend, immer so, patsch, klatsch, und noch mal. Übrigens auch seelisch, sofern man kein gewalttätiger Mensch ist und sich bereits zum ersten Schlag mühsam überwinden musste. Und überhaupt genügt ja meist schon eine einzige Backpfeife und die Sache ist damit angemessen geregelt. Wozu sich also mit einem Overkill belasten? Trotzdem bemühe auch ich nun das Neue Testament, eben weil es so neu ist. Dann sollte man es auch benutzen. „Unser Herr Jesus“, sage ich in einem ironischen Tonfall, der meine laizistische Grundhaltung unterstreicht, „hat seinen Followern am Vorabend der Kreuzigung das Gleichnis von den zwei Höflichen an der Tür zum Speisesaal erzählt.“ Ich greife mir nun doch die Laugensemmel. „Jeder will dem anderen den Vortritt lassen, bis schließlich beide verhungert sind. Amen.“

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