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Die Geister, die in alten Handys wohnen

Was Maschinen von ihren Nutzern denken, darum geht es in „Spookai“, einem japanischen Spukhaus im Theaterdiscounter

Von Undine Weimar-Dittmar

„Habt Ihr Euch eigentlich schon mal gefragt, wer Eure Schlüssel versteckt? Wer nachts in der Ecke raschelt und Euch den Schlaf raubt?“, rufen Stimmen aus der Dunkelheit. Wir befinden uns in einem japanischen Teehaus. Eigentlich sollte es Tee geben, doch auf einmal gehen die Türen zu, das Licht geht aus und wir sitzen komplett im Dunklen. Ich und sieben fremde Menschen. Ein kurzer Schauer überkommt mich.

Doch dann erscheinen „sie“ auf den weißen Wänden um uns herum. Zunächst als schleichende Schatten, nach und nach zeigen sie sich und tanzen auf der Leinwand um uns im Kreis. Sie sprechen zu uns. Flüstern zu uns und werden lauter. Es sind Wesen aus der japanischen Mythologie, die sich an diesem Abend im Theaterdiscounter an der Klosterstraße vorstellen. Die japanische Künstlerin Hiroko Tanahashi setzt sich in „Spookai“, einem begehbaren Geisterhaus, gemeinsam mit ihrem Kollektiv post theater mit ihnen auseinander.

Yokai ist der Name der in Europa fremden Wesen. Zu ihnen zählen Gespenster, Gottheiten, Dämonen, Tiere mit magischen Fähigkeiten und beseelte Objekte, sogenannte Tsukumogami. Sie treten an verschiedenen Orten auf: in Bergen, im Wasser, auf Bäumen, im Meer – und in verschiedenen Formen im Menschen, in Tieren, Pflanzen und Objekten. In Japan dienen Yokai zur Begründung für sämtliche unerklärlichen und mysteriösen Erscheinungen, die einem im Alltag begegnen können, von einer seltsamen Figur bis zu merkwürdigen Geräuschen.

Mit „Spookai“ hat Hiroko Tanahashi ein begehbares Geisterhaus geschaffen, in dem man als Zu­schaue­r:in auf eine Mischung aus Installationen und Performances trifft. Wir folgen einem Seil durch verschiedene Räume, es ist dunkel – und überall passiert etwas anderes. Es geht viel um das Verhältnis zwischen Mensch und Technik. Was ist mit den Dingen, die zu alt sind und den Menschen nicht mehr interessieren?

Hier kommen die sogenannten Tsukumogami ins Spiel. Es sind die Gegenstände, in die ein Geist eingezogen ist, wenn sie nicht mehr gebraucht und fallengelassen wurden. Jetzt sprechen sie in einem Raum miteinander, über ihre Vergänglichkeit und ihren ursprünglichen Nutzen für den Menschen. Ein Kabeltelefon, ein Wörterbuch, eine Schreibmaschine, ein Iphone und ein Android-Handy, ein Walkman und ein Globus – sie alle wurden weggeworfen oder abgestellt. Doch nun sind die Tsukumogami in sie eingezogen und erwecken die Dinge auf andere Art zum Leben. So lässt sich das Android-Handy etwa ausführlich darüber aus, wie sehr es nach und nach seinen Besitzer an seinen Bildschirm gefesselt hat und dieser es kaum noch aus der Hand legen konnte. Doch schließlich kam ein neueres, besseres Modell und es wurde ausgetauscht. Zwischenzeitlich sind die Gespräche der Geister sehr philosophisch und eher für die Ohren Erwachsener bestimmt. Das Stück ist zwar für Kinder ab acht Jahren ausgegeben, doch ist es fraglich, ob diese mit all dem schon etwas anfangen können, oder sich einfach nur gruseln.

Die Zu­schaue­r:in­nen werden mit Hilfe verschiedenster Technik in die Welt der Yokai geführt. So wird mit Trickfilm, viel Sound, Robotik, Animation, Videoperformance, Masken und Verkleidungen, Illustrationen und analogen Gegenständen gespielt. Höchstens neun Zu­schaue­r:in­nen werden gleichzeitig durch das Geisterhaus geführt, dadurch entsteht eine intime und besondere Atmosphäre. Am Ende sitzen wir wieder im Teehaus, die Yokai sind immer noch da – und nicht mehr ganz so fremd.

Man verlässt diesen Ort mit einer Mischung aus Verwunderung, Verwirrung und Überraschung.

Wieder am 6./7./8./9. Januar im Theaterdiscounter. Tickets nur im Vorverkauf https://theaterdiscounter.reservix.de

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