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Schichtdienst nicht mit Sprachkursen vereinbar
„Deutsche bleiben unter sich“,
taz Bremen vom 11. 8. 21
Dieser Artikel ist schlicht ärgerlich. Angefangen mit der Aufmachung: Die Gleichsetzung von „deutsch“ mit „Kartoffel“, doch wohl eher abfällig gebraucht von manchen Migranten oder jenen, die meinen, diese seien die besseren oder interessanteren Menschen. Das Foto eines in einer Kartoffel zu ahnenden dümmlichen Gesichtes spricht Bände. Inhaltlich wird es aber nicht besser.
„Eine relevante Vertretung von Migrant:innen in den Parteien und in der Verwaltung“ wird von Libuse Cernà gefordert, „teilhaben, mitgestalten“ möchte der Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates. Nur 4.1 % der Beschäftigten der Kernverwaltung haben einen deutschen Pass und so wird geschlussfolgert, dass man bei der BLG schon weiter sei, da dort ein Drittel der Beschäftigten einen Migrationshintergrund habe. […]
Nicht gestellt wird jedoch die Frage, ob ein hoher Migrantenanteil (oder ein solcher mit „Hintergrund“) irgendetwas mit teilhaben und mitgestalten zu tun hat oder nicht vielmehr Ausdruck der Tatsache sind, dass aufgrund von Bildungs- und Sprachbarrieren, nicht selten auch der Nichtanerkennung vorhandener beruflicher oder akademischer Ausbildungen, Menschen mit Migrationshintergrund gerade im Niedriglohnsektor der Logistik teils erheblich überrepräsentiert sind. Es gilt also, über den Zugang zu Bildung, Spracherwerb und Qualifikation zu reden, die es zugewanderten Menschen überhaupt erst ermöglichen, den mitunter langen Weg in die Bremer Verwaltung […] zu gehen, bevor an etwas wie eine relevante Vertretung und Gestaltung überhaupt zu denken ist.
Die Realität vieler Zugewanderter […] ist doch die: Vermittlung in angelernte Jobs […], um überhaupt erst mal Geld zu verdienen, um dann keine Zeit (und Kraft wie Lust) zu haben, in intensiver Arbeit die Sprache der Kartoffeln zu lernen. Ein Schichtdienst als Staplerfahrerin oder Kommissionierer ist kaum mit der Teilnahme an Sprachkursen vereinbar. Enno Liebenthron
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