wortwechsel: Impfpflicht und Kopftuchdebatte
Sollen sich alle impfen? Wen interessieren Milliardäre in Raketen? Und Beiträge der Leser*innen über Inklusion, die Zusammensetzung der Rundfunkräte und Werbung in der taz
Körperliche Unversehrtheit
„Ja zur Impfpflicht!“,
taz vom 19. 7. 21
Der Autor fordert hier nichts anderes als einen autoritären Staat, der nach dem inhumanen Leitsatz „Der Zweck heiligt die Mittel“ vielfältige Rechte beziehungsweise Bedürfnisse seiner Bürger, zum Beispiel nach Selbstbestimmung und körperlicher Unversehrtheit, beschneidet. Es ist dabei unerheblich, ob ein Impfgegner damit recht hat, dass die Impfung ein Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit ist. Wenn es für ihn so ist, dann hat der Staat das zu respektieren. Solidarität heißt vor allem auch zu begreifen, dass alle Menschen zu dieser Gesellschaft gehören, nicht nur die Gleichgesinnten, und eine solidarische Haltung allen gegenüber einzunehmen. Abgrenzung tut nur da Not, wo sich Menschen offensichtlich destruktiv verhalten. Impfkritikern aber pauschal Rücksichtslosigkeit gegenüber ihren Mitmenschen zu unterstellen, ist irrational und meistens falsch. Ich bin übrigens selbst kein Impfgegner, sondern eher ein Befürworter (für Erwachsene), und selbst bereits vollständig geimpft – aber Zwang ist nie ein gutes Mittel. Vielleicht lässt sich (gerade in diesen Zeiten und bezüglich auf Anti-Corona-Maßnahmen) nicht so eindeutig bestimmen, was „links“ (im Sinne von humanistisch und sozial gerecht) ist, aber die Position „Ja zur Impfpflicht“ ist, meiner Ansicht nach, sehr weit davon entfernt.
Benjamin Berger, München
Politik muss handeln
„Warnung aufs Handy“,
taz vom 22. 7. 21
Ihr Satz, „Ist das Mobilfunknetz erst einmal komplett zusammengebrochen, kommen sowieso keine Nachrichten mehr durch“, impliziert, dass der Zusammenbruch unvermeidbar ist. Der Zusammenbruch erfolgt durch Überlastung und/oder Stromausfall. Beides ist vermeidbar: Das Erstere durch gesetzlich geregelte Notstromversorgung, das Zweite durch entsprechende Priorisierung von Notrufkanälen bei gleichzeitiger Reduzierung von Privatkanälen. Hier muss die Politik entsprechend handeln und den Schmusekurs mit den Netzbetreibern aufgeben! Wolf Struensee, Altenahr
Kopftuchdebatte
„Freiheit ist anders“,
taz vom 16. 7. 21
Das Gebot des Verhüllens des weiblichen Körpers in allen Varianten kann auch aus dem Blickwinkel der Ethnosoziologie interpretiert werden. Im arabischen Kulturraum ist die Abstammung patrilinear organisiert, das heißt, allein über den Vater. Dies schließt ein, dass sichergestellt werden muss, dass der richtige Mann der Vater der Nachkommen ist. Dies macht eine starke Kontrolle der weiblichen Sexualität notwendig, zum Beispiel: die Absonderung der Frauen oder sie den Blicken anderer Männer durch Verschleierung zu entziehen. Warum der aktuelle Feminismus das Tragen von Kopftüchern muslimischer Frauen so verteidigt, ist mir ein Geheimnis. Es mag sein, dass für viele das Kopftuch muslimischer Frauen eher eine religiöse Konvention ist, aber die Ursprünge liegen in der Kontrolle der Fortpflanzung der Frau.
Brigitte Frank, Weiden
Nicht in die Schlagzeilen
„Milliardäre in Raketen“,
taz vom 11. 7. 21
Mich interessiert eigentlich null, was ein abgedrehter Milliardär 105 Kilometer über dem Erdboden macht. Vor allem gehört es nicht in die Schlagzeilen. Wir haben hier unten genug Probleme. Mit dem Geld, das für diesen kurzen Spaßtrip draufging, hätte man viele Hungernde speisen, viele Kranke heilen, viele Bäume pflanzen, viele Tonnen Plastik aus den Meeren holen und die Welt ein wenig besser machen können …
Achim Bothmann, Hannover
Individuelle Erfolgserlebnisse
„Inklusion stagniert“,
taz vom 12. 7. 21
Mark Rackles kümmert sich um das Thema Inklusion, das zuerst wegen der sogenannten Flüchtlingskrise und dann wegen der Coronapandemie auf dem Abstellgleis gelandet war. Eine flotte Weiterfahrt ist vielerorts nicht in Sicht, die notwendigen finanziellen Ressourcen sind in andere Bereiche abgezogen worden. Ein Vergleich der statistischen Zahlen in verschiedenen Bundesländern bringt das Ganze nicht in Fahrt. Dem Thema gerecht wird man nur, indem man genau hinschaut, was wirklich Qualitätsmerkmale für alle Kinder sind und wie das in den verschiedenen Bundesländern für einzelne Kinder und Jugendliche verwirklicht wird. Wenn ein Kind mit Nachdruck in der Regelschule platziert wird, verbessert das scheinbar die Erfolgsbilanz, aber nicht auf Dauer das Leben eines Kindes mit umfänglichen Besonderheiten. Ich bin ein überzeugter Anhänger der Inklusionsorientierung durch das Partnerklassen-System. Miteinander lernen in Bereichen, in denen es sinnvoll ist, Spaß macht und verbindet. Getrennt lernen, wo unsere Gesellschaft einerseits hohe Leistungsanforderungen stellt und andererseits auch geringere oder ganz anders ausgerichtete Leistungen toleriert und wo andere Maßstäbe individuelle Erfolgserlebnisse möglich machen.
Matthias Düffert, Weißenhorn
Grünes Gewissen
Werbung für Plastikflaschen bei Lidl,
taz vom 15. 7. 21
Bei allem Verständnis für ökonomische Zwänge – eine ganzseitige Werbung für die sogenannten Recyclingflaschen von Lidl geht mir zu weit. Wie die Deutsche Umwelthilfe aufgezeigt hat, sind die angeblich zu „100 % aus alten Flaschen gemachten“ Einweggebinde alles andere als umweltfreundlich. Die taz habe ich bisher gerade dafür geschätzt, dass sie eine solch verlogene Täuschung von VerbraucherInnen eher entlarvt, als mit den dahinterstehenden Konzernen Geschäfte zu machen. Gewissenlosen Konzernen wie Nestlé und vielen anderen ist der geniale Clou gelungen, die Menschen dazu zu bringen, für ein Produkt, das allenfalls genauso gut ist wie das Hochqualitätstrinkwasser aus unseren Wasserhähnen, auch noch freiwillig Geld zu bezahlen. Wenn es schon unbedingt „Mineralwasser“ sein muss, dann aber bitteschön wenigstens aus wiederbefüllbaren Mehrwegflaschen. Die Anzeige von Lidl in der taz ist eine Beleidigung für jeden Menschen mit einem grünen Gewissen. Birgit Leonhard, Münster
Titelbild misslungen
„Verbrenner vor dem Aus“,
taz vom 15. 7. 21
Ich finde für gewöhnlich ihre Titelbilder zusammen mit dem Text gut gelungen. Den heutigen Titel finde ich einfach nur zynisch. Das fast versunkene Auto ist ein Symbol für die Unwetter, in deren Folge Menschen gestorben sind und jede Menge Verwüstungen angerichtet wurden. Darauf den Spruch über das Ende der Benzinautos zu setzen, ist richtig übel. Wie sich wohl die LeserInnen aus den betroffenen Gebieten bei diesem Anblick fühlen?
Irmgard Schulz, Hannover
Rundfunkrat
„Die ARD kümmert sich nun um Kinder und ums Rechte“, taz vom 15. 7. 21
Der Einfluss erzkonservativer religiöser Vereinigungen ist schon viel zu hoch. Überhaupt sind diese Erzkonservativen, egal ob christlich, muslimisch, jüdisch oder sonst wie geprägt, Gift für eine freiheitliche und von Aufklärung geprägte Gesellschaft. Ich frage mich schon lange, wie und unter welchen Gesichtspunkten werden „gesellschaftliche Gruppen“ für Rundfunkräte ausgewählt? Da ist wohl noch der Stand von vor über fünfzig Jahren maßgeblich? Jedenfalls muss hier deutlich und offen gegen die Leute Stellung bezogen werden, die Aufklärung und Gleichberechtigung unterminieren.
Dietmar Nieder, Karlsruhe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen