brief des tages:
Eine moralische Bewertung verbietet sich
„Unsolidarisch und zynisch“, taz vom 5. 7. 21
Die höchst persönliche Entscheidung für oder gegen eine Impfung ist das Ergebnis der individuellen Abwägung des eigenen Erkrankungs- und Impfrisikos. Ziel jeder medizinischen Maßnahme soll die Erhaltung und/oder Wiederherstellung der Gesundheit des eigenen Körpers sein. Eine moralische Bewertung der Impfteilnahme als solidarisch und der Nichtteilnahme als unsolidarisch verbietet sich meines Erachtens.
Es ist nicht unsolidarisch, seine persönliche Gesundheit auf die Weise zu schützen, die man selbst für die richtige hält. Würden die individuelle Gesundheit und Entscheidungen hierüber dem Gemeinwohl untergeordnet, müssten auch Organspende, Blutspende, Verzicht/Inanspruchnahme medizinischer Behandlung unter diesem Aspekt neu gedacht werden. Sollte Menschen durch ihre Ablehnung der Impfung die „Solidarität“ der Gemeinschaft abhandenkommen, liegt es vielleicht auch am Spaltpotenzial derartiger Beiträge. Gibt es nur eine Wahrheit? Moralische Schlagwörter verbergen nur schwer den Mangel an Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Schade, taz.
Yvonne Ernst, Tübingen
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