wortwechsel: Von sozialer Gerechtigkeit bis zu sexistischen Fragen
Linke sollten keine Klassenkämpfe untereinander ausfechten, sondern soziale Gerechtigkeit angehen. Leser finden Fragen sexistisch, die nur Frauen gestellt bekommen
Spießermoral?
„Der kulturelle Faktor“, taz vom 26. 4. 21
Sahra Wagenknecht hat zumindest mit einigen ihrer Thesen so unrecht nicht. Begriffe wie „heteronormative Zwangsjacke“ empfinde ich als Beleidigung: Heterosexualität als zwanghaftes, behandlungsbedürftiges Verhalten. Zweifellos gibt es unendlich viele Varianten in den drei Dimensionen primäre Geschlechtsmerkmale, sekundäre Geschlechtsmerkmale und gefühltes Geschlecht. Das bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass die Mehrheit der Bevölkerung in einer sexuellen Zwangsjacke dahinvegetiert und zu blöde ist, um die wahre eigene sexuelle Identität zu entdecken. Daher hat die Feststellung, dass in der Alltagsrealität die meisten Menschen primäres, sekundäres und gefühltes Geschlecht einigermaßen in Deckung bringen können, nichts mit „verstaubter Spießermoral“ zu tun. Auch wenn das aus einer Berliner Filterblase heraus anders erscheinen mag. Thomas Damrau, Böblingen
Kreativ und mutig
„Unklares Motiv“, taz vom 27. 4. 21
Endlich finden einige wenige mutige Menschen eine kreative Form, sich mit der pauschalen und unreflektierten Verbreitung von Regierungsstatements zu Corona auseinanderzusetzen! An dieser Stelle sind auch kritischere Zeitungen wie die taz schon lange ausgestiegen.
Bei #allesdichtmachen geht es gar nicht um detaillierte Kritik oder eine Spaltung, sondern um den Start einer kritischen und konsequenten Auseinandersetzung mit den Coronamaßnahmen! Dann wird vielleicht auch endlich zur Sprache kommen, dass der lahme und viel zu späte Impfstart in Deutschland wahrscheinlich die meisten Opfer gefordert haben wird. Nur, das kehren die Verantwortlichen gerne unter den Tisch, nicht zuletzt mithilfe der Medien, die jede kritische Stimme gleich den „Querdenkern“ oder der AfD zuordnen.
Dietrich Kraemer, Köln
Glosse
„Schacke wie Schmidt“, taz vom 22. 4. 21
Ich finde es gut, dass Habeck sich ehrlich äußert und nicht so rumtönt wie die scheinheiligen CDU/CSU-Männer Laschet, Merz und Söder! Schließlich war es doch für ihn tatsächlich ein schmerzlicher Verzicht, er hätte die Kanzlerkandidatur doch auch gerne gemacht. Ist das verwerflich? Ich meine, nein!
Und ich meine auch, man müsste über sein Bedauern nicht entwertend höhnen! Mal wieder stellt sich die Frage: Wenn auf diese Art über Frauen geurteilt würde, dann wäre das „Geschrei“ der angeblichen „Femininist/innen“ mit Sicherheit groß! Haltet Ihr solche Äußerungen eigentlich für „frauenfreundlich“?
Ursula Wienberg, Markt Schwaben
Widerspruch
„Nicht zu fragen ist sexistisch“,
taz vom 26. 4. 21
Dürfen Journalist:innen Fragen an Frau Baerbock stellen, die sich auf ihre Familie, ihre Kleidung, ihre Durchsetzungskraft beziehen? Natürlich dürfen sie das, und Bild, Bunte, Gala und andere werden von diesem journalistischen Recht in den nächsten Monaten heftig Gebrauch machen. Die Frage ist aber: Sollten Journalist:innen solche Fragen stellen?
Wir widersprechen Simone Schmollack. Solche Fragestellungen und journalistischen Haltungen einem Interviewpartner gegenüber muss man nicht unbedingt sexistisch nennen; unangebracht, überflüssig und deplatziert sind sie allemal.
Wir möchten wissen, wie eine grüne Kanzlerin die große Transformation der Gesellschaft gestalten will, ob sie über den dafür notwendigen Gestaltungswillen und die Gestaltungskraft verfügt.
Bernd und Lisa Schleich, Köln
Verzicht mit Größe
„Sie will“, taz vom 19. 4. 21
Annalena Baerbock ist eine gute Kandidatin, zweifelsohne! Mein Favorit wäre aber doch Robert Habeck gewesen.
Es wäre so toll und progressiver gewesen, sich für einen Mann wie Habeck zu entscheiden, der Macht anders kooperativ denkt und für den Gleichberechtigung selbstverständlich ist.
Es bedeutet heutzutage mehr Mut, einen Mann wie Robert Habeck zu wählen, der nicht dem von Feminist*innen zugewiesenen Rollenbild eines Mannes entspricht. Männer sind doch heutzutage viel diverser, die jüngere Männergeneration ist es sowieso. Aber das darf nicht sein, weil man dann gendermäßig weniger Rechtfertigung hätte. Es gibt viele Männer, die auch unter den alten patriarchalen Strukturen leiden und sich verändern.
Auf Jahre wird wahrscheinlich bei den Grünen kein Mann mehr gefördert, in gute Positionen zu kommen. Schade, denn jede*r Mensch sollte, wenn er gut ist, gefördert werden und zum Zuge kommen. Robert Habeck hat wirklich viel in den letzten Jahren für die Grünen neu entwickelt, programmatisch, unkonventionell gedacht. Sein Verzicht bedeutet wirkliche Größe. Petra Peters, Berlin
Soziale Gerechtigkeit
„Der kulturelle Faktor“, taz vom 26. 4. 21
Als vom Arbeiterkind ohne Abitur zum Bankdirektor einer Staatsbank aufgestiegener Zeitgenosse habe ich mich über diesen beleidigten Kommentar köstlich amüsiert. Bei der taz und vielen grün-roten bis linksliberalen Weltbürgern kommt Sahra Wagenknechts Weckruf für mehr soziale Gerechtigkeit hoffentlich nicht zu spät.
Schreiben Sie doch mal ganz aktuell zum Ganztagsanspruch für Grundschüler, der Bildungserfolge von sozialer Herkunft entkoppeln kann. So etwas kostet natürlich Steuergeld. Rüdiger Vehof, Erfurt
Grüne in Blase
„Konferenz der Underdogs“, taz lab 2021
Spätestens mit seinen Einlassungen beim taz lab ist deutlich geworden, dass Baerbock die qualifiziertere Kandidatin bei der Bundestagswahl ist.
Aber leider ist die grüne Partei zu einer Funktionärspartei mit vielen Berufspolitikern in einer Blase verkommen, die sich gegenüber den Altparteien nur durch integrere Kandidaten unterscheidet.
Eine Rechenschaftspflicht oder gar Rotation wird gar nicht mehr erwartet, Ellenbogeneinsatz und Populismus spielen eine immer größere Rolle.
Dietmar Rauter, Kronshagen
Unwürdig
„Kein unwürdiger Preisträger“,
taz vom 27. 4. 21
Ein Vertuscher und Verschweiger bei den Missbrauchsskandalen soll ein würdiger Preisträger sein? Zum Glück hatte Herr Kardinal Marx wohl Berater, die ihm nahegelegt haben, auf das Bundesverdienstkreuz zu verzichten.
Auch im Bundespräsidialamt muss man sich nach den Kriterien für die Vergabe von Ehrungen fragen lassen. Einen großen Teil seines Privatvermögens hat Kardinal Marx gespendet. Wie schön, sind Bischöfe und Kardinäle doch fürstlich honorierte Posten auf Kosten aller Steuerzahler.
Anneliese Fleischmann-Stroh, Heilbronn
Demokratie
„Am eckigen Tisch“, taz vom 27. 4. 21
Die Diktatur (von lateinisch dictatura) ist eine Herrschaftsform, die sich durch eine einzelne regierende Person, den Diktator, oder eine regierende Gruppe von Personen mit weitreichender bis unbeschränkter politischer Macht auszeichnet.
Diese Definition von Diktatur sollte sich Jörg Schmidt (CDU Plauen) noch mal gut durchlesen, bevor er die BRD vor der Wiedervereinigung als Diktatur bezeichnet. In der BRD konnte man seinen Beruf frei wählen, es gab freie und geheime Wahlen.
Das Demokratieverständnis von Jörg Schmidt scheint doch ein sehr komisches zu sein, vor allem wenn man sich selber als wertkonservativ, christlich und bodenständig bezeichnet.
Anja Sulzberger, Daisendorf
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