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: Der Polizeipräsident und ich

Eigentlich kriege ich nur von drei Stellen Post. Meinem Sparkassenberater, der GEZ und dem Berliner Polizeipräsidenten. Letzterer schickt mir inzwischen fast täglich einen Bußgeldbescheid wegen Falschparkens. 10 Euro, 20 Euro, 25 Euro – ich verliere langsam den Überblick. Der Polizeipräsident anscheinend auch. Manche Zettel kommen Monate später, manche gefühlt dreimal, und neulich kam einer, den ich bereits bezahlt hatte, einfach immer wieder. Da es ausgerechnet der Bescheid war mit den 245 Euro Abschleppgebühren, beschwerte ich mich erstmalig bei der Bußgeldstelle, und wieder antwortete mir der Polizeipräsident – meine Briefe schienen inzwischen direkt zu ihm durchgestellt zu werden.

Der Polizeipräsident teilte mir mit, dass nicht er sich getäuscht habe, sondern ich mich, denn ich hatte tatsächlich fünfmal hintereinander auf den Straßenbahnschienen geparkt. Von dem Geld könnte ich mir wohl bald selbst eine Straßenbahn kaufen, versuchte ich mich an einem Witz in meinem Antwortschreiben und bedankte mich bei ihm für sein Entgegenkommen, denn unsere Korrespondenz war mir wichtig geworden, und ich hatte das Gefühl, dass auch der Polizeipräsident den Kontakt mit mir genoss. Warum sonst schrieb er mir im Minutentakt? Und immer so höflich!

Seit den wieder aufgenommenen Kontaktbeschränkungen war der morgendliche Gang zum Briefkasten das absolute Highlight meines Tages. Und er schien ähnlich zu empfinden. Ich versteckte ein kleines Kompliment in der Betreffzeile der Überweisung des Bußgeldes, und weiter ging es.

Die Mahnungen wurden immer häufiger, und ich fragte mich, wie der Polizeipräsident überhaupt noch in der Lage war, einem Privatleben nachzugehen. Vielleicht war er Single? Ich selbst hatte zunehmend Schwierigkeiten, nicht zuletzt weil mein Freund immer weniger Verständnis dafür zeigte, dass ich einen Großteil meines Einkommens in Bußgelder investierte und er die gemeinsamen Einkäufe wegen meines chronischen Geldmangels nun immer häufiger alleine zahlen musste. Auch schien es ihn generell zu stören, dass ich dem Polizeipräsidenten so häufig schrieb und dass ich mich noch bedankt hatte, nachdem ich ihm 1.225 Euro überweisen musste, schien er auch nicht zu verstehen. Ob ich demnächst bei ihm einziehen wolle, fragte er mich verärgert, und, um ehrlich zu sein, daran hatte ich auch schon gedacht.

„Der Polizeipräsident ist eine Frau“, sagte ich. „Umso besser“, sagte er und schloss die Frage an, ob er dann stattdessen bei ihr einziehen könne, finanziell scheine ihm das lukrativer als das Zusammenleben mit mir. Da war dann ich ein wenig beleidigt, denn in einer Beziehung sollte es ja nicht nur ums Geld gehen, aber schließlich versöhnten wir uns wieder, ich hatte ja auch gar nichts gegen meinen Freund, er schrieb mir nur einfach so selten, und in Pandemiezeiten zählte doch jeder Kontakt.

„Ich weiß auch nicht, was los ist“, sagte ich, „das ist erst seit Corona so.“ – „Na, wenn du auch immer das Mietauto ins Halteverbot stellst.“ – „Wie, das Mietauto ins Halteverbot? Parken ist doch im Preis inbegriffen!“

Mein Freund hörte einen ganzen Tag nicht mehr auf zu lachen, und ich kaufte mir schweren Herzens ein Fahrrad. Tatsächlich schrieb mir auch der Polizeipräsident danach deutlich seltener, und da es meiner Beziehung guttat, achtete ich darauf, mein Fahrrad nicht auf den Straßenbahnschienen abzuschließen.

Eva Mirasol