berliner szenen: Abenteuer hinter jeder Ecke
Als könnten Musik-Apps direkt den Algorithmus meiner Erinnerung ablesen, spielt sich plötzlich auf mein Handy eine Reihe von Liedern, die ich vor knapp zwanzig Jahren ständig gehört habe, als ich zum ersten Mal in Europa war. Damals begleiteten mich diese Lieder, zum Beispiel, als ich das erste Mal das Meer aus dem Fenster eines Zuges sah, nachdem wir Portbou hinter uns gelassen hatten und der Stadt Barcelona immer näher kamen.
Die mexikanische Sängerin Lhasa de Sela sang mit ihrer sanften Stimme irgendwas über die Wüste, ein schöner Kontrast, weil ich nur Grünes und Wasser vor mir sah. Oder Gorillaz: Seitdem ich 2003 die Straßen Madrids bei 40 Grad durchstreifte, hatte ich die Band nicht mehr gehört – wenn, dann nur zufällig im Radio. Jetzt an einem herbstlichen Abend in Berlin lasse ich mich dank dieser Musik (die wie eine Zeitmaschine funktioniert) wieder dorthin transportieren, während ich durch das Regierungs- und dann das Zeitungsviertel zu meiner Tanzstunde am Märkisches Museum laufe. Ich habe mir vorgenommen, alles, was ich aufgrund meines gegipsten Arms nicht mit dem Rad erreichen kann, zu Fuß zu erlaufen, auch wenn es zwei Stunden anstatt 15 Minuten dauert.
Deswegen vielleicht und weil ich in dieser Gegend so gut wie nie bin, wirkt diese Musik ein bisschen wie damals, als ich den ganzen Tag Städte durchlief. Als wäre ich neu hier und hätte viel zu entdecken, fühlt sich das an. Als wäre ich Mitte zwanzig und hätte noch eine romantische Idee vom „alten Kontinent“, wie er in den Schulbüchern hieß. Als ob Abenteuer und Liebesgeschichten hinter jeder Ecke auf mich warten würden und die Ungewissheit nur etwas wäre, worauf sich man freuen kann. Aber wer sagt eigentlich, dass es in Berlin 2020 nicht so sein kann? Luciana Ferrando
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