berliner szenen: Klein und frech am Rittersporn
Im Winter hatte ich auf die Mauer, die unser Grundstück umgibt, ein Vogelfutterhaus gestellt. Wie jedes Jahr. Vom Küchenfenster kann man das schön sehen. Nach ein paar Tagen musste ich es wieder entfernen, denn es wurde ausschließlich von einer alten, dicken Ratte besucht. Ich verständigte die Hausverwaltung. Im März rückte ein Kammerjäger mit Gift und Fallen an. Seitdem haben sich die Ratten vermehrt. War es vorher eine alte mit schütterem Haar und langsamen Bewegungen, haben wir jetzt mindestens drei sehr agile junge Tiere vor dem Fenster. Fraß die alte Erdnüsse, haben die jungen einen moderneren Geschmack: sie lieben meine Kräuter und Jungpflanzen, die ich auf einem Podest vor dem Küchenfenster stehen habe.
Eines Morgens waren alle Kürbissetzlinge verschwunden, auch eine Tomatenpflanze fehlte. Mein Mann verdächtigte sofort die Nachbarskinder. Denen traut er fast alles zu. Aber auch ich hätte nicht gedacht, dass Ratten Grünpflanzen essen. Ist vielleicht der allgemeine Trend zum Veganismus. Ein paar Tage später ragten von dem buschigen Basilikum nur noch ein paar Strünke aus dem Topf. Und dann sah ich sie: Klein, agil und frech grinste mich ein Tier aus dem Rittersporn-Kübel an. Zwei weitere rannten gerade in Richtung Nachbargrundstück davon. Die fressen sogar meinen Rittersporn!
Ich finde das total ekelhaft. Nachts liege ich wach und sinne auf Rache. Ich denke an kochendes Wasser, Lebendfallen – und überlege, ob sie wohl auch durchs Küchenfenster reinkommen, wenn wir das zum Lüften offen lassen.
Brief an die Hausverwaltung: „Wir befürchten, die Tiere bald in der Wohnung zu haben, sobald sie bemerken, dass drinnen die Versorgungslage besser ist.“
Man hat uns Hilfe zugesagt. Es bleibt spannend.
Gaby Coldewey
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