Digitale Dividende

Unnütze TV-Technik (1): Mobilfunker würden gerne mit dem desinteressierten Publikum ins Geschäft kommen

Es gab einmal diese kleinen Taschenfernsehgeräte von Casio: Ein Minibildschirm, ein paar Batterien – und man konnte überall Fernsehen gucken! Das war zu analogen Zeiten, als drei bis fünf Fernsehprogramme empfangbar waren. Ein nettes Gimmick für verspielte Leute war das.

Unbeeindruckt von der nur relativen Erfolgsgeschichte der Casio-Taschenfernseher macht sich derzeit eine ganze Branche auf, einen neuen Markt zu erobern, den sie vermeintlich für erfolgreich hält. Und: Ingenieure, Frequenzverwalter, Medienanstalten und euphorische Wirtschaftsförderer machen den Weg mit einem kräftigen „Hurra“ von technischen und regulatorischen Hindernissen frei, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Rede ist von DVB-H, einer Variante des terrestrischen digitalen Fernsehens (DVB-T), das in den vergangenen Monaten in den großen deutschen Ballungsgebieten eingeführt worden ist.

„H“ steht dabei für „handheld“, in der Hand gehalten und bedeutet, dass mit diesem Verfahren Videobilddaten auf kleine Empfangsgeräte – gedacht ist hier weniger an die eingangs erwähnten Casio-Kisten als vielmehr an Mobiltelefone mit Bildschirm – übertragen werden.

Neben der Mobiltelefontechnik UMTS sollen nun auch die bisherigen Rundfunkfrequenzen dazu genutzt werden, Filmchen und Videos aufs Handy zu überspielen. Unter der Ägide des finnischen Marktführers Nokia ist schon in Helsinki mit der Technik experimentiert worden.

In Berlin möchte man die Angebote gerne gegen Gebühr verteilen. Fragt sich bloß, was. Fernsehangebote binden die Aufmerksamkeit des Zuschauers weit mehr als kurze Infoschnipsel im Radio. Wer jedoch wird sich auf dem Weg zur Arbeit seine „Lindenstraße“, seinen Spielfilm oder eine Talkshow auf dem Handybildschirm anschauen?

Die Apologeten des Mobilwahns, die Entwicklungsingenieure, Rundfunktechniker und Marketingmanager ohne kommunikationswissenschaftlichen Hintergrund erzählen jedem, der es nicht wissen will, dass wir in Zukunft überall, von der U-Bahn bis zur Autobahn, mit winzigen Flimmerbildchen versorgt werden können und wollen.

Landesmedienanstalten verplempern Bandbreite zu Lasten des klassischen Rundfunks und nennen das „digitale Dividende“: Der Frequenzgewinn durch die Digitalisierung des Fernsehens wird jetzt ausgezahlt. DVB-H bedeutet eine Doppelversorgung der Mobilfunker mit knappen Frequenzressourcen für wenig innovative Inhalte mit zweifelhaften Erfolgsaussichten, zumal sich Vodafone & Co. nun auch noch die Frequenzbereiche für das Übertragungsverfahren WiFi unter den Nagel reißen wollen, um das immer Gleiche an die desinteressierte Kundschaft zu übertragen. Jürgen Bischoff