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Rosen aus dem Kaukasus

Noch steckt der Anbau in den Anfängen. Doch sind sich die Botanikpioniere sicher: Eine ökologische Rosenölerzeugung bietet in Georgien interessante Perspektiven

Rohstoff für Rosenöl, begehrt für Kosmetikprodukte Foto: Jan Oelker

Von Dierk Jensen

Weintrauben, Äpfel und Pflaumen liegen auf dem Küchentisch. Eine Landkarte Georgiens hängt an der weißgekalkten Wand. Weiches Licht fällt durch die offene Haustür. Lisi schneidet rohes Lammfleisch klein, welches sie am Morgen auf dem Markt in der Kleinstadt Tsnori eingekauft hat. Sie bereitet das georgische Nationalgericht Chinkali zu, mit Fleisch gefüllte Teigtaschen, die sie kunstvoll faltet. Aus dem Fenster sind in der Ferne die Bergketten des nördlichen Kaukasus zu erkennen, im Garten hängen golden-große Früchte an Quittenbäumen.

Lisi Khimiadashvili und ihr Mann Alexander Kurtanidze gehören zu den Pionieren des ökologischen Landbaus in Georgien. Sie waren früher beim ökologischen Anbauverband Elkana beschäftigt und entschieden sich dann, selbst Landwirtschaft zu betreiben. Sie erwarben dafür 16 Hektar Land für umgerechnet 18.000 Euro in der fruchtbaren Region Kachetien im Osten Georgiens. Neben dem Land kauften sie auch ein ziemlich ramponiertes Gebäudeensemble, welches zu Sowjetzeiten als Getreidemühle und Wasserverteilstelle diente. Notdürftig umgebaut, ist es heute Wohnstätte und Lager. Von hier begannen sie vor mehr als zehn Jahren mit dem Anbau von 15 verschiedenen Salaten, die an zahlungskräftige Restaurants und Hotels in der quirligen Hauptstadt Tiflis geliefert werden.

Trotz ihres persönlichen Erfolges mit dem Bio-Lieferservice sei der georgische Biomarkt „nach wie vor sehr schwierig“, so Lisi, die in den neunziger Jahren im hessischen Witzenhausen Ökolandbau und Ökotourismus studierte und ein stupend gutes Deutsch spricht. „Alle Georgier wollen zwar Bioqualität, aber ohne dafür wirklich mehr bezahlen zu müssen.“ Und weil die Situation in Georgien derzeit (noch) so ist, bedeutet dies für viele ökologisch wirtschaftende Betriebe, dass die Bio-Zertifizierung ein kostspieliger Aufwand ist, aber sich dadurch kaum mehr Erlöse im Binnenmarkt erzielen lassen. „Das ist schlicht und ergreifend der Grund dafür, dass viele von ökologischen Anbaumethoden überzeugte Betriebsleiter in Georgien ohne Zertifizierung arbeiten“, erklärt Lisi und fügt hinzu, „wer allerdings seine Produkte ins Ausland exportieren will, der kommt ohne Bio-Zertifikat natürlich nicht aus.“ Das gilt auch für ihren eigenen Betrieb Kakheti Bio, den sie zusammen mit ihrem Mann Alexander und den Deutschen Wolfgang Paulsen sowie Felix Herold und Reinhard Büchner von der Rose Office GmbH vor wenigen Jahren gründete. Bislang baut man für den Export Kräuter wie Estragon, Pfefferminze und Grüne Minze an, darüber hinaus aber auch Calendula. Langfristig ist der Fokus aber auf die Zucht der Rose Gallica ausgerichtet, um ökologisch erzeugtes Rosenöl anzubieten. Das Interesse aus Deutschland ist groß; so verwenden eine ganze Reihe von Kosmetik-Herstellern, darunter auch die anthroposophischen Unternehmen Wala und Weleda, den begehrten Rohstoff für allerlei Produkte. Wenn die ersten Chargen an georgischem Rosenöl erzeugt worden sind, dann will die von Demeter zertifizierte und in Düsseldorf ansässige Rose Office GmbH diese Ware in Deutschland vermarkten.

Aber aller Anfang ist schwer. Zwar sind die ersten Hektare schon bepflanzt, doch erst nach drei, vier Jahren ist mit der ersten Ernte zu rechnen. „Viele unserer Rosenstecklinge“, so Lisi, „sind wieder eingegangen, entweder waren sie mit einer falschen Methode gepflanzt worden oder sie sind in den trockenen Sommern verdorrt.“ Alexander nickt vielwissend. „Deshalb haben wir im letzten Sommer in eine Tropfenbewässerung investiert, die zwar rund 3.000 Euro pro Hektar kostete, aber dafür sorgt, dass unsere Rosen in trockenen Perioden ausreichend mit Wasser versorgt sind“, merkt er an. Wenngleich im östlichen Teil Georgiens im Sommer manchmal monatelang kein Regen fällt, so fließt doch über den Fluss Alasani reichlich Wasser aus dem Großen Kaukasus ins gleichnamige Tal. Ein zu sowjetischen Zeiten angelegtes, weitverzweigtes Kanalsystem, welches auch für die Tropfenbewässerung der Rosen zu Verfügung steht, bietet den Landwirten und ihren nährstoffreichen Schwemmböden auch in der Trockenphase ausreichend Wasser.

Trotz mancher Rückschläge konnte Kakheti Bio im Jahr 2019 in einem Teil des Bestandes zum ersten Mal Rosenblütenblätter in mühsamer Handarbeit ernten: Zwar lohnte es sich mengenmäßig nicht, daraus Öl zu destillieren, doch hat das Rose Office die Blütenblätter als getrocknete Ware im europäischen Biomarkt verkauft.

Ein erster, zumindest kleiner Erfolg der Rosenölpioniere nördlich von Tsnori. Wobei Kakheti Bio nicht das einzige Unternehmen ist, das sich südlich des Nordkaukasus im Rosenanbau versucht. So gibt es weitere Akteure. Darunter Georgi, ein Bauer in der Nähe von Kvareli, der rund drei Hektar biozertifizierte Rosenkultur angelegt hat und seine Ernte auch an Rose Office verkauft. Außerdem hat die Georgierin Natalie Mamagulishvili im Zuge eines NGO-Frauenprojektes im 230-Seelendorf Argokhi westlich der kachetischen Regionalhauptstadt Telavi im Jahr 2013 ein 3000 Quadratmeter großes Feld mit Rosen der Sorte Rosa Gallica gepflanzt. Mamagulishvili liebt es, mit Rosen zu arbeiten. Zehn Frauen aus dem Ort seien in Pflege, Ernte und Weiterverarbeitung der Rosen involviert, erzählt die 39-Jährige bei der Besichtigung ihres hochgewachsenen Rosenbestandes mit einem Reihenabstand von 2,50 Meter und in der Reihe gepflanzten Knoblauchs. „Die Rosen geben uns Harmonie“, begeistert sich Natalie, die mit deutschen Demeter-Beratern in Kontakt stehe und biodynamische Präparate verwendet. „Am Anfang waren die Rosenblätter nur für dekorative Zwecke gedacht, später kam die Marmeladenproduktion hinzu und wer weiß, wenn wir mehr als einen Hektar haben, dann werden wir vielleicht auch anfangen zu destillieren“, blickt sie optimistisch inmitten ihrer Pflanzen in die Zukunft.

Rund fünf Tonnen Rosenblütenblätter pro Hektar erwartet Lisi zukünftig an Ertrag. Daraus lassen sich ungefähr 700 Milliliter Rosenöl gewinnen. Das klingt wenig, aber angesichts eines Preises von aktuell rund 10.000 Euro pro Liter relativiert sich diese Betrachtungsweise. Wann und ob Kakheti Bio überhaupt vor Ort eine Destillerie bauen wird, die eine Investition von 200.000 Euro erfordert, ist noch nicht entschieden. Aber unabhängig davon: Der Arbeitsaufwand für die Ernte der Rosenblütenblätter ist enorm. Lisi schätzt, dass pro Hektar rund zehn SaisonarbeiterInnen über einen Monat hinweg mit dem Pflücken beschäftigt sein werden.

Auf jeden Fall würde Ira Gvidashvili im Ernteteam nicht fehlen dürfen. Schon heute arbeitet sie je nach Bedarf für Kakheti Bio, pflückt beispielsweise Calendula-Blüten, die in den Export gehen. Und gehört damit zu denjenigen Frauen und Pionieren, die die alte Tradition der georgischen Rosenölproduktion – zu Zeiten der Zaren soll es tausend und mehr Hektar Rosen gegeben haben – in die Zukunft hinüberretten werden können.

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