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Schwanger, weil das nötige Kleingeld fehlt

Im Kreis Steinburg in Schleswig-Holstein können Einwohner*innen jetzt die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln beantragen. Es fehlen einheitliche Regelungen

Sind meistens richtig teuer: Pillen zur Verhütung Foto: Jörg Lange/dpa

Von Marthe Ruddat

Seit dieser Woche haben Frauen und Männer mit geringem Einkommen im Kreis Steinburg in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln zu beantragen. Einwohner*innen, die mindestens 22 Jahre alt sind und beispielsweise Arbeitslosengeld II oder Ausbildungsförderung erhalten oder ein vergleichbar niedriges Einkommen haben, können sich bei der Pro-Familia-Beratungsstelle in Itzehoe informieren und einen entsprechenden Antrag stellen.

Das Programm schließt Männer explizit mit ein, sie können die Kostenübernahme für eine Sterilisation, auch Vasektomie genannt, beantragen. Kondome schließt das Angebot allerdings aus. „Weil es Kondome kostenlos im Gesundheitsamt gibt, haben wir sie nicht mit in das Programm aufgenommen und können die Menschen dorthin verweisen“, sagt die Leiterin der Beratungsstelle in Itzehoe, Katrin Ufen.

Pro Familia erhält für das Projekt Geld aus der Förderstiftung des Kreises Steinburg. Das wurde bereits im Dezember beschlossen, aus organisatorischen Gründen startet die Antragsannahme aber erst jetzt. „Der Bedarf ist auf jeden Fall da“, sagt Ufen. In den letzten Jahren hätten immer wieder Frauen angefragt, ob es so ein Angebot im Kreis Steinburg gibt. „Die ersten Beratungstermine in dieser Woche waren sofort vergeben“, sagt Ufen.

Das Problem: Die Krankenkasse zahlt für Verhütungsmittel nur bis zu einem Alter von 22 Jahren. Wenn jemand danach beispielsweise Arbeitslosengeld II bekommt, sind mögliche Verhütungskosten in einer Pauschale für Gesundheitspflege enthalten. 2019 waren das laut Ufen je nach Alter und Status des Empfängers oder der Empfängerin 12,88 Euro bis 16,10 Euro. „Darin sind auch beispielsweise Hautpflege und Kopfschmerztabletten enthalten“, sagt sie. „Da bleibt kaum etwas für Verhütung über.“ Die Pille könne monatlich bis zu 23 Euro kosten, das Einsetzen einer Hormonspirale koste um die 360 Euro.

„Wir wissen aus der Konfliktberatung, dass Frauen ungewollt schwanger werden, weil ihnen das Geld für sichere Verhütung fehlt“, sagt Ufen. Das Paradoxe: Ist eine Frau mit niedrigem Einkommen ungewollt schwanger geworden, zahlt das Land die Kosten für einen eventuellen Schwangerschaftsabbruch.

Dabei ist die Tatsache, dass die Verwendung von Verhütungsmitteln in direktem Zusammenhang mit dem Einkommen steht, alles andere als neu. Im letzten Jahr wurde ein dreijähriges, von Pro Familia durchgeführtes Modellprojekt in sieben deutschen Städten beendet, das die Möglichkeiten einer bundeseinheitlichen Regelung zur Kostenübernahme auslotete. Das Bundesfamilienministerium förderte das Projekt. Wegen der großen Nachfrage wurde das Budget mehrfach angehoben. Und es kam zu dem Ergebnis, dass es eine einheitliche Lösung braucht. Diese solle auch Männer einschließen.

Viele Kreise und Kommunen haben mittlerweile eigene Regelungen für die Kostenübernahme. Dass der Kreis Steinburg einer der letzten in Schleswig-Holstein ohne so eine Regelung war, habe Pro Familia in der Argumentation des Förderantrags geholfen, sagt Ufen.

Ob jemand wirklich die Möglichkeit hat, dass Kosten für Verhütung übernommen werden, ist je nach Wohnort also auch Glücksache

Auch in Niedersachsen sei die Bereitschaft gestiegen, Gelder bereitzustellen, sagt die Landesgeschäftsführerin von Pro Familia Niedersachsen, Uta Engelhardt. Sie weist aber auf ein großes Problem hin: „Jede Kommune strickt sich das Programm nach ihren Möglichkeiten zurecht und deshalb herrschen unterschiedliche Rahmenbedingungen, beispielsweise dass nur Hartz-IV-Empfängerinnen oder Frauen, die schon zwei Kinder haben, antragsberechtigt sind.“ Auch die Kosten für Sterilisation oder Vasektomie werden nicht in jedem Programm übernommen. Ob jemand wirklich die Möglichkeit hat, dass Kosten für Verhütung übernommen werden, ist je nach Wohnort also auch Glücksache.

Die Programme vor Ort seien natürlich zu begrüßen, sagt Engelhardt. Sie seien aber Übergangslösungen, es brauche bundesweite Regelungen. „Da muss von der Politik etwas kommen, die Kostenfrage muss geklärt werden“, sagt Engelhardt. „Pro Familia fordert das bereits seit zehn Jahren.“

Auf Anfrage der taz heißt es aus demBundesfamilienministerium, dass Gespräche mit anderen zuständigen Ministerien geführt würden, um Möglichkeiten auszuloten. Weil diese Gespräche noch laufen, könne man sich nicht weiter dazu äußern.

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