: Mehr als rutschen, schaukeln, wippen
In vielen Orten werden kleinere ungenutzte Spielplätze geschlossen und große dafür aufwendig umgebaut. Im Trend ist der Themenspielplatz
Von Joachim Göres
Ein sechs Meter hoher Holzturm, an dem Kinder über eine Holzhängebrücke und Balancierbalken hochklettern, um dann über eine der beiden Tunnelrutschen in schnellem Tempo nach unten zu gelangen – so sieht die Anlage aus, die auf dem Spielplatz auf dem Freigelände des Moskaubads in Osnabrück steht. Gebaut hat sie im vergangenen Jahr die Bernd Merten GmbH, ein Spielgerätehersteller aus Hude. „Lange Rutschen sind bei Kindern nach wie vor beliebt“, sagt Bernd Merten. Sein Betrieb baut für Spielplätze in Niedersachsen und Bremen auch Sandkästen, Drehscheiben und Karussells, Schaukeln und Schwunggeräte. „Immer mehr kleine Spielplätze werden von den Städten und Gemeinden aufgelöst und das eingesparte Geld für die Wartung wird in die Sanierung oder den Neubau von größeren Spielplätzen gesteckt“, sagt Merten.
Dabei gibt es einen Trend zu Themenspielplätzen. Der alle zwei Jahre verliehene Deutsche Spielraum-Preis wurde 2017 ausschließlich an Spielplätze mit einem inhaltlichen Schwerpunkt vergeben, unter anderem an den Regenspielplatz Biberland in Hamburg-Harburg und den „Weg des Salzes“ in Lüneburg. Klassische Spielplätze mit Wippe, Rutsche und Sandkasten haben es immer schwerer, gegen solche Leuchtturmprojekte zu bestehen.
Eine Entwicklung, die Merten kritisch sieht: „Viele Kinder können nicht mehr schaukeln und richtig in Schwung kommen, weil es oft nur Vogelnestschaukeln zum Rundschaukeln gibt. Eine einfache Schaukel ist für die motorische Entwicklung wichtig. Es muss nicht immer das Modernste und Teuerste sein.“ Großer Beliebtheit erfreut sich bei Mädchen und Jungen zudem Wasser – zu erleben auf der Spielanlage des Kinder- und Familienzentrums Nordenholz in Bremen, für den die 20 Mitarbeiter zählende Firma aus Hude neben einem Spielschiff mit Rutsche sowie einer Doppel- und Bauchschaukel auch eine Wasserspielanlage mit Matschtisch gebaut hat. Aus optischen Gründen sind laut Merten krumme statt gerade Hölzer immer mehr gefragt. Das Thema Holz liegt ihm auch aus Sicherheitsgründen am Herzen: „Das Holz der Robinie ist 30 Prozent teurer als Kiefernholz, verfault aber nicht so schnell und wird deswegen zunehmend für Spielgeräte eingesetzt.“
Warum sehen Spielplätze so aus, wie sie aussehen, welche Konzepte und Ideen gab und gibt es in aller Welt – diesen Fragen geht eine Ausstellung unter dem Titel „The Playground Project“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt/Main noch bis zum 21. Juni nach. Dort werden die jungen Besucher ausdrücklich zum Toben und Spielen aufgefordert, was sie sich nicht zweimal sagen lassen – man hört Kinder und Jugendliche juchzen und schreien, wenn sie sich in einer Tunnelrutsche zunächst krabbelnd aufwärts bewegen und dann abwärts sausen. Auch die Plastikdoppelwippe und das Plastikkarussell werden von den jungen Besuchern gern benutzt, während sich ihre Eltern in der Ausstellung über deren Schöpfer Günter Beltzig informieren.
Der heute 78-Jährige gilt als einer der erfahrensten Spielplatz-Designer, der für westdeutsche Spielplätze ganze Rutschberge entwarf und in den 60er-Jahren auf Polyester in knalligen Farben als Material setzte. Seit der Ölkrise in den 70ern gewann dann Holz auf den Spielplätzen immer mehr an Bedeutung. In der DDR war dagegen seit Mitte der 60er-Jahre überall die Rüsselrutsche zu finden. Über eine kleine Leiter gelangten Kinder auf einen Betonelephanten, über dessen Rüssel sie runterrutschen konnten. Geändert hat sich seitdem vor allem, dass Kinder heute vielfach bei der Planung von Spielplätzen nach ihren Wünschen gefragt werden – nicht allerdings, wenn ein Spielplatz dicht gemacht wird.
Vom 19. bis zum 21. 3. findet in Osnabrück der Kongress „Bewegte Kindheit“ statt, auf dem es um Spielplätze geht; www.bewegtekindheit.de
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