Ströbele: Vorsorgehaft gleicht NS-Methoden

Schily will Verdächtige vorbeugend in den Knast schicken. Der Grüne Ströbele vergleicht das mit der Nazi-Schutzhaft

FREIBURG taz ■ Politiker von Grünen und FDP übten gestern heftige Kritik an Otto Schilys Plädoyer für die Einführung einer allgemeinen vorbeugenden „Sicherungshaft“. Der grüne Fraktionsvize Christian Ströbele verglich den Vorschlag mit der Schutzhaft gegen politische Gegner in der Nazi-Zeit. Der Altliberale Burkhard Hirsch sagte, mit einer polizeilichen Sicherungshaft „hat man schon mal Konzentrationslager begründet“. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, hielt die Vergleiche für „vollkommen abwegig“.

Schily hatte in einem Interview vorgeschlagen, gefährliche Personen vorsorglich in Sicherungshaft zu nehmen. Dies sei keine Strafe, sondern eine polizeirechtliche Vorsorgemaßnahme zum Schutz der Bevölkerung.

Anders als bei der NS-Schutzhaft sollen die Betroffenen Zugang zu Anwälten erhalten und ihre Inhaftierung gerichtlich überprüfen lassen können.

Außerdem soll die Haft „auf eine gewisse Zeit“ beschränkt werden, so Schily. Er geht davon aus, dass die Einführung einer Sicherungshaft nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstößt.

Die FDP-Politiker Max Stadler und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger halten Schilys Vorschlag hingegen für klar „verfassungswidrig“.

Das ist insofern richtig, als vor einer Einführung der Sicherungshaft auf jeden Fall das Grundgesetz geändert werden müsste. Daran war auch Schilys erster Vorstoß in diese Richtung vor einem Jahr gescheitert.

Damals hatten die Fraktionen von SPD und Grünen dem Innenminister klar gemacht, dass es für eine derartige Grundgesetzänderung keine Mehrheiten gebe. Juristisch möglich wäre eine entsprechende Ergänzung der Verfassung aber schon.

Problematisch sind vor allem die Kriterien, die Schily anwenden will. Wann kann ein Gericht „sicher“ sein, dass eine Person für die Gesellschaft gefährlich ist? Und welcher Grad an Gefahr wird verlangt? Als Beispiel nennt der Innenminister Personen, die ein Ausbildungslager in Afghanistan besucht haben. Er will das Instrument allerdings nur „für wenige Einzelfälle“ nutzen. Dann wären die Attentäter von London im Vorfeld ihrer Tat sicher nicht vorsorglich inhaftiert worden. Der konkrete Sicherheitsgewinn wäre letztlich fraglich. Und wenn das Instrument breiter genutzt würde, wären die Verhaftungen wohl überwiegend willkürlich. Gerade unter Muslimen könnten sie das Gefühl der Ausgrenzung verstärken. CHRISTIAN RATH