Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Jetzt haben sie also begonnen die Zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts. Showbühnen und Kabaretts dieser Stadt feiern daher die 1920er Jahre noch einmal besonders euphorisch. Auch, weil sie – wie wir nicht erst seit der Fernsehserie „Babylon Berlin“ wissen – oft fast erschreckende Parallelen zu unserer heutigen Zeiten aufweist. Im Admiralspalast in der Friedrichstraße etwa hatte im Dezember „Berlin Berlin. Die große Show der goldenen 20er Jahre“ Premiere, die alles auffährt, was das Bild jener Jahre prägte, wo golden ja höchstens die Pailletten der Revuetänzerinnen waren, während rings herum alles immer brauner wurde. So versinkt auch die glitzernde Revue- und Nachtclubwelt, die im Admiralpalast noch einmal aufersteht, und zwar mit toller Musik und tollen Tänzern – am Ende im Nazi-Sumpf. Zumindest beinahe (Admiralspalast: „Berlin Berlin“, 2. & 3. 2., jeweils 19.30 Uhr, 4.1. 15 Uhr & 19.30 Uhr), 5. 1. 14 Uhr & 18 Uhr).
Empfehlenswert sind immer wieder die Musik-Kabarett-Shows vom Duo „Prigor und Eichhorn“ in der Bar jeder Vernunft. Zum Niederknien nämlich ist hier nicht nur die Musik sondern besonders auch der aasige Charme von Thomas Prigor, mit der er Phänomene unserer so komplexen Zeiten in sein lästerlichen Lieder und Moderationen packt (Bar jeder Vernunft: „Prigor und Eichhorn“, 2.–5. 2., jeweils 20 Uhr).
Gefeiert wird in dieser Stadt auch das 20. Jubiläum der Performance Gruppe „Rimini Protokoll“, der das Theater zum Beispiel die Erfindung der Experten des Alltags verdankt, die in den frühen Stücken die Schauspieler*innen ersetzten. Die sind in den späteren Stücken allerdings verschwunden, weil diese in den letzten Jahren Experimentierfelder für neue Technologien wurden. In „Uncanny Valley“ zum Beispiel, wo der einzige Spieler auf der Bühne ein humanoider Roboter ist, der dem Schriftsteller Thomas Melle nachgebildet ist. Die koproduzierenden Berliner Festspiele haben das Stück gerade wieder auf dem Spielplan. (Haus der Berliner Festspiele: „Uncanny Valley“, 3.–11. 1. diverse Uhrzeiten. Alle Infos: www. berlinerfestspiele.de). Im HAU, wo derzeit noch das Rimini-Protokoll-Jubiläumsfestival „Jetzt feiern“ läuft, ist unter anderem auch die VR- Installation über das Landleben in Zeiten digitaler Lebensmittelproduktion „Feast of Food“ sowie die begehbare Installation „Situation Room“ wieder zu sehen, die das Thema Waffenhandel aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet und die Zuschauer*innen dabei zu Ego-Shootern macht (HAU2: „Featst of Food“, „Situation Room“, 2.–9. 1., diverse Uhrzeiten. Alle Infos: www.hebbel-am-ufer.de).
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