Die Wahrheit: Gefängnis für Lorde
Neues aus Neuseeland: Zu viel „disco-bedience“? Um Neuseelands Star Lorde gibt es heftiges Gerangel, das auf Twitter ausgetragen wird.
E xctinction Rebellion ist nicht die einzige Protestbewegung, die seit voriger Woche einiges an Verwirrung auf der Welt stiftet. Während sich Rebellen in Wellington an eine Bankfiliale klebten und in Melbourne XR-Tänzer auf der Straße steppten, um „civil disobedience“ (zivilen Ungehorsam) in „disco-bedience“ (Widers-Tanz) umzusetzen, formierte sich über Nacht ein neuer Aufstand gegen die Staatsgewalt: eine Befreiungskampagne für Sängerin Lorde.
Simon Bridges, Chef der konservativen National-Party, kam im frisch gestarteten Wahlkampf mit einem Vorschlag daher, den er gern gesetzlich verankern möchte: Eltern, deren Kinder ohne High-School-Abschluss die Schule abbrechen, sollen bestraft werden. Dieses Verbrechen, meist von sozial Schwachen und Randgruppen wie den pazifischen Einwanderern begangen, könnte bis zu 3.000 Dollar Strafe kosten.
Ob es nur Schwänzerei oder der dringliche Ruf nach Höherem war: Unter den Kiwis, die ihre Schulkarriere nicht beendet haben, befindet sich auch Prominenz. Zum Beispiel Rugby-Star Sonny Bill Williams – der mit die 14 Schule abgebrochen hat, aber jetzt noch mal studiert. Oder Choreografin Parris Goebel, die mit Rihanna und Justin Bieber arbeitet – verließ die Schule, um Tänzerin zu werden, und gewann dann zweimal die Weltmeisterschaft im HipHop.
Und dann selbstverständlich Lorde, die größte Pop-Sensation des Landes. Mit 13 begann Ella Yelich-O’Connor ihre eigenen Songs zu schreiben. Mit 16 wurde „Royals“ ein Hit und sie entschloss sich, nicht mehr an die Takapuna Grammar Schule zurückzukehren und die zwölfte Klasse zu beenden. Statt NCEA, dem neuseeländischen Abschluss, kassierte sie lieber zwei Grammys ein.
My Sweet Lorde
Kaum tauchte ihr Name im Zusammenhang mit der Schulstrafe auf, begann der Protest-Tornado. In den USA bewaffneten sich Lorde-Fans mit dem Hashtag „#FreeLorde“, um die vermeintlich bereits Verhaftete aus dem Gefängnis zu befreien. „Ella, wir kommen!“, feuerten Fans sich an. Wer hätte gedacht, dass so ein nettes Land mit einer Premierministerin, die Oprah und Elton John als Fans hat, solche Menschenrechtsverletzungen begeht?
Die Woge des Widerstands wurde zum Trend auf Twitter und führte zu unzähligen Memes: Lorde hinter Gittern, Lorde aus einem Taxi hängend im „Green Light“-Video neben einem Foto vom Joker Heath Ledger in „The Dark Knight“, und internationale Befreiungskämpfer, die sich online eine Anwaltslizenz besorgen, um ihre Lieblingssängerin aus dem Knast zu holen.
In all der fehlinformierten Hysterie ging ein wahrer Held dagegen unter: Der 15-jährige Micah Greininger aus Wellington. Micah, der sich seinen Vornamen selber gab und trans, schwul, jüdisch und Maori ist, protestierte 60 Tage am Stück vor dem neuseeländischen Parlament. Dafür flog er von der Schule. Auf der Straße wurde er vorige Woche von den XR-Rebellen gefeiert.
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