: Erstaunlicher Höhenflug
Trotz Schwächung: Der TSV Hannover-Burgdorf schlägt den SC Magdeburg am Sonntag verdient mit 31:28 und verteidigt seine Tabellenführung in der Handball-Bundesliga
Von Christian Otto
Streng genommen ist das alles keine Überraschung. Die vielen Siege, die neue Euphorie in der Stadt: All das hat sich die TSV Hannover-Burgdorf, die sonst im Schatten von König Fußball und Hannover 96 steht, wirklich verdient. Der einstige Dorfverein spielt bereits seit 2009 durchgängig in der Handball-Bundesliga.
Wie sich große Siege und Ausflüge in internationale Wettbewerbe anfühlen, hat die mit dem Vermarktungskunstbegriff „Die Recken“ bedachte Mannschaft längst erlebt. Warum also soll es nicht gelingen, um den Titel des deutschen Meisters mitzuspielen? Nach sieben Siegen in den ersten sieben Saisonspielen durfte schon einmal geträumt werden. „Die Siege haben für eine tolle Euphorie und eine breite Brust gesorgt. Aber unsere bisherigen Gegner waren bis auf die SG Flensburg für uns schlagbar“, erklärt Sven-Sören Christophersen, der sportliche Leiter.
Der Handball-Norden denkt eigentlich anders. THW Kiel oder SG Flensburg-Handewitt – einer dieser beiden etablierten Klubs wird es schon schaffen, den nationalen Titel zu holen. Die TSV Hannover-Burgdorf hat dabei eigentlich niemand auf der Rechnung.
Dabei wird gerne vergessen: Unter der Regie von Christophersen und dem spanischen Cheftrainer Carlos Ortega ist etwas sehr Wettbewerbsfähiges entstanden. Beide haben langjährige Erfahrung als Spieler und wissen, worauf es in einer guten Handball-Belegschaft ankommt. Die aktuelle Mischung aus jungen Profis und Routiniers aus aller Welt stimmt. „Ich habe schon in der Vorbereitung gemerkt, dass da etwas zusammenwächst“, sagt Kapitän Fabian Böhm. In der Umkleidekabine sei ein konstruktives Geben und Nehmen zwischen den Spielergenerationen zu spüren.
Wer Böhm und Co. bei einem Heimspiel wie dem gestrigen gegen den SC Magdeburg besucht, bekommt eine interessante Mischung zu sehen. Da wäre zum Beispiel Morten Olsen, der Spielmacher der TSV Hannover-Burgdorf. Der Däne ist amtierender Weltmeister seiner Sportart. Er tritt trotzdem wie ein ganz normaler Mitmensch auf, hat keinerlei Allüren und gibt gekonnt den Takt vor. Seine cleveren Anspiele landen unter anderem bei einem Könner wie Rechtsaußen Timo Kastening, der nicht aus einer fernen Liga eingekauft wurde, sondern seit der C-Jugend im Verein ist und behutsam an das Profiteam herangeführt worden ist.
Das sind Geschichten im Profisport, die nicht mehr alltäglich sind und Applaus verdienen. Genügend Demut für Erfolg ist auch noch im Spiel. „Wir haben eine gute Stimmung im Team, wissen aber alle, dass wir nicht über Wasser laufen können“, findet Kastening.
Gegen die favorisierten Magdeburger gab es am Sonntagabend einen 31:28-Erfolg zu bejubeln. Das bisher Erreichte mit acht Siegen aus neun Ligaspielen wird angesichts solcher Ergebnisse immer erstaunlicher. Merkwürdig am aktuellen Höhenflug der TSV Hannover-Burgdorf ist: Auf den ersten Blick ist die Mannschaft im Vergleich zur vergangenen Saison geschwächt worden.
Kapitän und Nationalspieler Kai Häfner ist zum Ligakonkurrenten MT Melsungen gewechselt. Torhüter Martin Ziemer spielt mittlerweile für die Füchse Berlin. Ein spürbarer Schaden ist aus diesen wichtigen Personalien bisher nicht entstanden. Cheftrainer Ortega dirigiert eine stark verjüngte Mannschaft, die seinen taktischen Vorgaben brav folgt.
Der Spanier klingt in diesen Tagen für seine Verhältnisse erstaunlich mutig. Dass sein Team dank eines traumhaften Saisonstarts bis an die Tabellenspitze klettern konnte, lässt ihn nicht kleinlaut werden. „Wir wollen mehr. Wir wollen unseren Weg weitergehen“, sagt Ortega. Wohin der Weg genau führt, darüber allerdings mag der erfahrene Experte lieber nicht öffentlich sprechen.
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