: Wie Raumfahrt von Star Wars zu Star Trek wurde
Technisch war das Ding nichts weiter als eine Kugel mit Antennen und einem Sender, der „beep“ machte. Doch als die Sowjetunion am 4. Oktober 1957 den ersten künstlichen Satelliten namens Sputnik 1 ins All schoss, war das für die USA ein gewaltiger Schock, der Grund zum Bau Tausender nuklearer Interkontinentalraketen und der Begründung des Apollo-Mondprogramms.
Die Welt befand sich im Kalten Krieg, die Raumfahrt sowohl in den USA als auch in der Sowjetunion war vom Militär dominiert. Es ging um Abschreckung, Konkurrenz, technologische Überlegenheit. Raumfahrt war ein Mittel im Konflikt der Supermächte.
Über ein halbes Jahrhundert später, im März 2014, annektierte Russland die Krim. Die Welt befand sich in einer Krise, Europa und die USA verhängten Sanktionen, und trotzdem startete zwei Monate später der deutsche Astronaut Alexander Gerst mit einer russischen Sojus vom Weltraumbahnhof Baikonur aus zur internationalen Raumstation ISS.
Die beiden Ereignisse zeigen, wie sehr sich die Bedeutung der Raumfahrt verändert hat. Heute ist sie in Zeiten der Krise Symbol der Kooperation und Zusammenarbeit, früher hat sie Konflikte angeheizt und verschärft.
Der jetzt verstorbene Sigmund Jähn steht mit seinem Raumflug 1978 in der Mitte dieser Entwicklung: Die USA und die Sowjetunion hatten bereits erste Versuche unternommen, aus ihrem Krieg der Sterne ein klein wenig mehr Star Trek zu machen – eine friedliche Kooperation aller Menschen zur Erforschung des Weltalls: 1975 koppelten die beiden Supermächte ein Apollo- und ein Sojus-Raumschiff in der Erdumlaufbahn zusammen, Sowjet-Kosmonauten und US-Astronauten umarmten sich im All. Es war ein Zeichen der Entspannung, das Rendezvous hoch über der Erde gilt als Zäsur im Raumfahrtprogramm der beiden Länder. Dennoch schalteten die beiden Blöcke danach wieder auf Konkurrenz: Jähns Raumflug galt der DDR als Zeichen der Überlegenheit des sozialistischen Modells, nicht als Symbol der Annäherung.
Erst nach dem Kalten Krieg vertiefte sich die Kooperation im All so sehr, dass sie auch intakt bleibt, wenn auf der Erde politische Krisen ausbrechen. Ab 1993 kooperierten die USA und Russland auf der russischen Raumstation Mir, an der nun regelmäßig amerikanische Spaceshuttles andockten. Parallel dazu entstand die Internationale Raumstation ISS, die ab 1998 gemeinsam von 16 Ländern aufgebaut wurde. Sie soll noch bis 2030 in Betrieb bleiben. Selbst die US-Regierung unter Präsident Donald Trump, bekanntlich kein Freund von internationalen Kooperationen, will die Station weiter finanzieren – allerdings soll ein Teil des Geldes dadurch aufgebracht werden, dass die USA ihre Zeit an Bord der Station an Touristen oder Filmteams vermieten.
Kosmonaut Jähn selbst war aktiver Protagonist dieses Wandels der Raumfahrt. Noch im Juni 2018 kehrte er nach Baikonur zurück, von dort aus war er 40 Jahre zuvor ins All gestartet. Dort wohnte er dem zweiten Start seines Freundes und Nachfolgers Alexander Gerst bei.
Ingo Arzt
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