brief des tages:
Die Wurzeln eines Menschen
„Komplizenschaft und das Märchen von der ,ganzen Wahrheit'“, taz vom 5. 8. 19
Fatma Aydemir schreibt: „Der Täter vom Frankfurter Hauptbahnhof war ein vermutlich psychisch erkrankter Mann.“ – „Welche Wahrheit offenbart das Herkunftsland Eritrea, außer dass der Mann schwarz ist?“ – Leider nicht zu Ende gedacht. Das Herkunftsland kann für den Zustand eines Menschen durchaus eine Rolle spielen. Aber nicht, weil es Eritrea an sich ist, sondern weil es um die Verhältnisse in Eritrea geht.
Diese Verhältnisse gehören zur Biografie des Mannes. Er musste dort möglicherweise Dinge erleben und erleiden, die ihn eben psychisch krank machten. Möglich auch, dass er in Europa Dinge erleben und erleiden musste, weil er aus Eritrea kommt, und die ihn dann psychisch krank machten. Zum Beispiel, weil man ihn in einen Topf warf mit denen, vor denen er geflohen war. Die Wurzeln eines Menschen (in diesem Falle eines mutmaßlichen Täters) zu kappen bedeutet auch, die politischen, sozialen, ökologischen, menschenrechtlichen Verhältnisse seiner Vergangenheit zu ignorieren. Eritrea kann also durchaus bestimmte „Wahrheiten“ offenbaren. Thomas Moser, Berlin
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