piwik no script img

wortwechselDie Frage nach dem grünen Kanzler lenkt ab

Schon wieder gefälschte Beweise? Die einfache Position der „Zwischengeneration“ und wer gehört ihr an? Lieber „Zweitnutzungshühner“ und keine „Turbokühe“ mehr!

Nicht Alt gegen Jung, sondern Alt für Jung Foto: Stefan Boness/Ipon

Alt gegen Jung

„Die Noten sind egal“,

taz vom 19. 6. 2019

Vor Kurzem erst veröffentlichte die taz die Kolumne einer jungen Journalistin, die sich dazu verstieg, Menschen über 60 den Führerschein abnehmen und das Wahlrecht aberkennen zu wollen, weil diese unter anderem verantwortlich für die Wahlsiege der Rechten seien.

Heute nun lese ich in einer Rubrik, die sich (ausgerechnet) „die Gesellschaftskritik“ nennt, einen Artikel über die guten Schulnoten von Greta Thunberg. Die Autorin findet, und so weit gebe ich ihr recht, Gretas Zeugnisse seien nicht relevant für die Öffentlichkeit, sondern von Belang sei einzig und allein ihr Engagement für den Klimaschutz.

Am Ende ihres Artikels lässt sie jedoch einen Appell an die „Älteren“ folgen und schreibt diesen aus Sicht eines Mitgliedes der „Zwischengeneration“. Die Älteren sollten nicht über Präsenszeiten an Schulen und Leistungen junger Klimaaktivisten diskutieren, sondern einfach die Forderungen der Klimastreikenden ernst nehmen, denn „die Jüngeren wissen, welche Welt sie erben wollen“.

Abgesehen davon, dass ich auf die Konkretisierung dieser Weltvorstellung sehr gespannt wäre, wird auch in diesem Beitrag eine Konfliktlinie zwischen „den Älteren“ und „den Jüngeren“ gezogen, die nach Meinung beider Autor*innen offenbar die derzeitige politische Auseinandersetzung dominiert.

Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, nach den eigenen politischen Meinungen und Handlungen gar nicht erst gefragt zu werden, aber wie selbstverständlich einer Altersgruppe zugeordnet zu werden, die für diverse Schlechtigkeiten verantwortlich zu machen ist.

Hier geht es offenbar darum, neue Widersprüche zu konstruieren, die als Ursache gesellschaftlicher Probleme herangezogen werden. Es gibt also in unserer Gesellschaft keine Widersprüche zwischen Armen und Reichen, keine Widersprüche zwischen rechts und links, sondern nur einen zwischen Alten und Jungen.

Dieser Widerspruch zwischen Alt und Jung hat ja den Vorteil, sich selbst vollkommen aus der Verantwortung nehmen zu können, sofern man jünger ist. Interessant in diesem Zusammenhang ist da die „Zwischengeneration“, der sich die Autorin zuordnet.

Mit dieser Positionierung kann man sich bequem auf die richtige Seite schlagen, schon deshalb, weil niemand weiß, wer eigentlich einer solchen Zwischengeneration angehören soll. In jedem Fall dienen derartige Ungenauigkeiten keiner wichtigen politischen Sache, sondern schüren lediglich Ressentiments gegenüber anderen.

Die Texte der beiden Autor*innen kommen nicht besser daher als solche, die sich pauschal gegen Flüchtlinge, gegen Sozialhilfeempfänger oder andere Gruppen von Menschen richten. Und vor allem sind sie eins nicht: links.

Bettina-Maria Henze, Eickhorst

Angriff auf Öltanker

„USA beschuldigen Iran“,

taz vom 14. 6. 2019

Wieder einmal legen die USA „Video­beweise“ über die nach ihren Sprachgebrauch „Mächte des Bösen“ vor. Glaubhaft? Ich bezweifle das stark. Als ich die Aussagen von Trump und Co. vernommen habe, ist mir einfach sofort die Rede vom damaligen Außenminister der USA Colin Powell am 5. 2. 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat eingefallen. Damit hat er mit gefälschten Beweisen den Krieg gegen den Irak vor der Weltöffentlichkeit gerechtfertigt, und dieser Krieg dauert heute noch an.

Genauso war es mit dem Vorfall im Golf von Tonking, den es auch nie gab. Damit wurde der Krieg in Vietnam begründet, der Überfall auf Grenada wurde ebenfalls mit einer Lüge begründet. Ist das in der Straße von Hormus gefertigte Video ebenfalls ein Fake?

Der US-Administration kann man eigentlich nicht mehr vertrauen, die wollen einfach nur wieder ihren Krieg, da setzen sie sich über die gesamte Weltöffentlichkeit auch mit Lügen hinweg. Kann man solche Kriegstreiber noch als Freunde bezeichnen?

Wolfgang Schlag, Berlin

Stöckchenspringen

„K für Kanzler, K für Konflikt“,

taz vom 17. 6. 2019

Springt jetzt auch die taz über jedes Stöckchen, das ihr jemand hinhält? Wen interessiert es zurzeit eigentlich, wer im Herbst 2020 für das Kanzleramt kandidiert oder kandidieren soll? Es sind die üblichen Talkshow-Gastgeber, Medien und Wichtigtuer, aber nicht die Menschen. Mit der Thematisierung der „K-Frage“ lenkt auch ihr leider ab von den Dingen, um die es wirklich in den kommenden Monaten und Jahren geht.

Worum geht es denn? Um die großen Herausforderungen, auf die die bisherige Politik wenige bis keine schlüssigen Lösungen anbietet. Die Klimakrise ist ganz offensichtlich entscheidend. Inzwischen ist wohl nicht mehr zu leugnen, dass uns die Zeit davonläuft, wenn wir unseren Kindern und Enkeln ein lebenswertes Leben auf dieser Erde noch ermöglichen wollen.

Auch andere Fragen müssen angepackt werden: Welche Chancen und Risiken bedeutet die Digitalisierung der Arbeitswelt, ja aller Lebensbereiche? Wie organisieren wir ein einigermaßen friedliches Zusammenleben bei größer werdenden Ungerechtigkeiten, sowohl global als auch bei uns vor Ort? Hierzulande sehen einige in Hass und Ausgrenzung eine Meinung, für die man Verständnis haben müsse.

Die extreme Bereicherung einer kleinen Oberklasse auf Kosten des Gemeinwohls geht derweil ungebremst weiter. Werden wir und unsere Nachkommen im Alter auskömmlich leben können? Die Wut der jungen Rebellen richtet sich gegen all dies. Denn sie sehen und spüren, dass mit einem „Weiter so“ alles vor die Wand gefahren wird.

Und da erscheint ihr mit einem Titel, der zu einer Boulevardzeitung passt. Er passt aber nicht zur taz, die wir ansonsten schätzen. Die taz steht doch dafür, den Dingen auf den Grund zu gehen und Orientierung in unserer komplexen und komplizierten Welt anzubieten. Mit der Frage „Baerbock oder Habeck“ werdet ihr dem Anspruch leider nicht gerecht.

Roswitha Schröder-Scheulen und Ingo Scheulen, Bad Salzuflen

Anmaßung

„Die Entmündigung der Frau“,

taz vom 15. 6. 2019

Bevor patriarchal organisierte Staaten sich anmaßen, über Körper und Schwangerschaft beziehungsweise Geburten von Frauen zu entscheiden, sollte doch wohl zuerst das bereits geborene Leben von Kindern und Frauen und implizit also auch das aller kleinen und großen Männer gesetzlich geschützt werden, indem Produktion und Gebrauch von Waffen aller Art weltweit beendet und endlich Konflikte anders als durch Verletzen, Töten und kaltblütigen Mord von Menschen gelöst werden.

Umwelt und Leben sollten so gestaltet werden, dass Frauen Lust haben, darin Kinder zu gebären und mit ihnen zu leben. Dazu braucht es politischen Gestaltungswillen, Fantasie und mutige Entscheidungen und Gesetze. Wir können das nämlich – wenn wir wollen!

Inge Wessels, Bielefeld

Das System Tierhaltung

„Küken-Schicksal besiegel“,

taz vom 14. 6. 2019

Es wird also der „Realität gerecht“, wenn weiterhin die männlichen Küken direkt nach dem Schlüpfen „entsorgt“ werden, wenn die Legehennen durch die gesteigerte Legeleistung ein nur drastisch verkürztes Leben haben.

Das gesamte System Tierhaltung ist somit durch die wirtschaftlichen Interessen mit dem im Gesetz verankerten Tierschutz nicht zu vereinbaren und wird ad absurdum geführt. An eine Rückkehr zu einem „Zweinutzungshuhn“, das sowohl Eier als auch Fleisch liefert, verschwendeten die Richter wohl keinen Gedanken.

Ähnliche Probleme gibt es bei der Milch­erzeugung, wo „Turbo-Kühe“ gezüchtet werden, die statt einem Lebensalter von zwanzig Jahren bereits nach fümf Jahren durch die enorme Milchleistung ausgelaugt und entkräftet sind.

Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen