So viel Kritik muss sein: Lukas Scharfenberger über „Shirin & Leif“: Mit Schwung und Musik
Die spannendsten Hochzeitsgäste: Hund und Katze! In glänzenden, schwarzen Lackstiefeln, Mantel und Sonnenbrille stolziert Simon Zigah als Perserkatze Lala Simin über die Bühne des Goethe-Theaters und prangert die Unterdrückung der Katzen an. Ihr hinterher trottet der treudoofe Hund Ole. Er beklagt das Joch zu Füßen des Herrchens. Er wolle doch auch nur über Dachgiebel spazieren und wie Lala in die Vorgärten der Bourgeoisie kacken. „Ihr schmeißt euch doch freiwillig aufs Sofa!“, faucht ihn Lala an, dreht sich um. Pause. Und schiebt empört nach: „Und überhaupt, wann habe ich jemals in einen Vorgarten gekackt?!“
Streit gibt es viel auf der Hochzeit von Shirin und Leif. Das Autorenbrüderpaar Akın und Edis Şipal hat für das Theater Bremen eine Komödie mit Schwung und Musik geschrieben, die am Ende das Publikum lachend und aufgelöst zurücklässt. Akin Sipal ist seit der Spielzeit 2017/2018 Hausautor am Theater Bremen. Mit „Ein Haus in der Nähe einer Airbase“ hat er hier schon ein eigenes Stück uraufgeführt. Da ging es um deutsche Auswanderer und den Terrorkrieg in Syrien. „Shirin & Leif“ ist weniger tiefschürfend, obwohl es auf der Hochzeit genug interkulturellen Sprengstoff gibt: Leif ist Deutscher und stammt aus einer Kleinfamilie, während Shirin eine von drei Töchtern einer superreichen iranischen Unternehmerin ist.
Dennoch findet jede Figur durch die Turbulenzen des Abends ihren Platz. Die Söhne der Familien freunden sich an und jagen gemeinsam die Hochzeitstorte mit einem Polenböller in die Luft: „Endlich etwas Interkulturelles, was Spaß macht.“ Der AfDler und eine der beiden Zwillingsschwestern der Braut haben Sex und verkünden dann, auch heiraten zu wollen. Schließlich verbünden sich auch noch Hund und Katze.
Die großen interkulturellen Konflikte werden angedeutet, lösen sich aber immer sofort wieder auf. Dafür steht jede Figur immer mal wieder im Mittelpunkt und zeigt in dynamischen Massenszenen, wo ihr gerade der Schuh drückt. Dabei nimmt das Stück nach einem stockenden Prolog erstaunlich an Fahrt auf. Die Darsteller*innen jagen über die Bühne, treten immer wieder von der Hochzeitsband begleitet an das Mikrofon und verpacken ihre Situation in Gesang. Besonders die schöne und kräftige Stimme von Deniz Orta, die die Braut spielt, fällt hier auf. Vor allem, weil Orta in den Sprechparts immer wieder zu leise ist.
„Shirin & Leif“, Theater am Goetheplatz, Aufführungen am 15.,18., 22., 26. 6. sowie am 4. 7. jeweils 19.30 Uhr
Der Zwist liegt in den Familien. Der deutsche Vater, gespielt von Guido Gallmann, terrorisiert alle mit seinem ungesalzenen veganen Büfett und bietet seinem unfruchtbaren Sohn Alexander Angeletta sein Sperma an. Der AfDler nennt ihn einen Öko-Faschisten, der Vater kontert mit dem Nazivorwurf und Gabriele Möller-Lukasz als Shilas Mutter überrollt das Brautpaar förmlich mit einer Schubkarre voller Gold.
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