heute in hamburg: „Soziale Medien sind eine starke Waffe“
Filmvorführung und Diskussion „Forbidden Voices“: 19 Uhr, Abaton-Kino, Allende-Platz 2, Eintritt 8,50 Euro
Interview Lukas Ziegler
taz: Herr Chomani, ist die Pressefreiheit in Deutschland intakt?
Kamal Chomani: Ich denke ja. Als jemand, der kein Deutsch spricht und erst seit einem Jahr hier lebt, kann ich das jedoch schwer einschätzen. Ich konnte hier aber bisher vollkommen frei schreiben. Mir wurde aber schon von Einschränkungen erzählt, besonders für kurdische Journalisten. In Berlin wurde zum Beispiel ein Buchladen geschlossen, mit der Begründung, man unterstütze die PKK. Viele pro-kurdische Journalisten und Aktivisten sehen die Einstufung der PKK als terroristische Organisation als sehr problematisch für ihre Arbeit an.
Sie leben eigentlich im Irak. Wie sieht es dort aus?
Ich komme aus dem nördlichen, kurdischen Teil des Landes. Nach der offiziellen Anerkennung der autonomen Region 2003 war die Pressefreiheit nicht sonderlich gut, aber auch nicht sehr schlecht. Doch je stärker die freie Presse im Land wurde, desto stärker wurden die Einschränkungen. Seitdem wurden vier Journalisten ermordet, während sie Korruption oder die Öl-Politik der Regierung geschrieben haben. Als ich mich 2017 gegen das geplante Unabhängigkeitsreferendum der Region aussprach, wurde die Gefahr für mich zu groß. Ich habe beschlossen, das Land für eine Weile zu verlassen.
Tragen die sozialen Netzwerke zur Pressefreiheit bei?
Kamal Chomani, 33, irakischer Journalist, ist derzeit Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und Diskussionsgast bei der Veranstaltung.
Definitiv, gerade im Irak, aber auch in anderen Ländern im mittleren Osten, gibt es keine unabhängigen Medien. Sie sind alle vollkommen von den führenden Parteien, Familien oder militärischen Gruppen kontrolliert. Die einzige Möglichkeit für einen Journalisten oder politischen Aktivisten, sich kritisch und frei zu äußern, sind die Social-Media-Plattformen. Hinzu kommt, dass man die junge Generation viel besser darüber erreicht als über Fernsehen oder Zeitungen. Das macht soziale Medien für uns zu einer starken Waffe gegen das politische System, die Korruption und die schwindenden Menschenrechte im Land. Allerdings sind die Möglichkeiten dabei auch begrenzt, man kann nicht alle Menschen darüber erreichen.
Was gibt Ihnen die Kraft, trotz Verfolgung weiterzumachen?
Menschen sind gestorben, weil sie für Freiheit und Demokratie gekämpft haben. Sie sind gestorben, weil es eben keine Freiheit in unserem Land gibt. Das motiviert mich, für diese Dinge und gegen die politische Elite zu kämpfen.
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