: Alte Kunst in neuer GAK
Mit der Ausstellung „Straub/Huillet/Cézanne. Seelen malt man nicht“ startet Regina Barunke in ihren Job als Chefin der Gesellschaft für aktuelle Kunst
VonJan-Paul Koopmann
Es klingt wie ein Statement mit der Axt in der Hand, mit was für langem Atem Regina Barunke ihren Einstand als neue GAK-Chefin begeht. Die Auseinandersetzung mit klassizistischen Ölgemälden wie etwa Davids „Der Tod des Marat“ stand jedenfalls lange nicht auf dem Programm der Gesellschaft für Aktuelle Kunst. Und dass hier am Teerhof nun wirklich etwas ganz anderes passiert als bisher, bleibt auch wahr, wenn man dazu sagt, dass es tatsächlich eine Filmkamera war, die diese Kunstwerke im Louvre eingefangen und in einen neuen Zusammenhang gesetzt hat.
Es ist ein bisschen kompliziert mit dieser Ausstellung „Straub/Huillet/Cézanne. Seelen malt man nicht“. Im Zentrum der Schau stehen zwei Filme von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, die sich mit dem Maler Paul Cézanne befassen. Ergänzt um Positionen mehr oder weniger zeitgenössischer Künstler*innen streift Barunkes Ausstellung dann kreuz und quer durch Genres und Gattungen – auf der Suche nach Spuren, Verweisen, Kommentaren und mitunter harschen Abfertigungen.
Spannend ist bereits der scharfe Kontrast zwischen der Ruhe, mit der Straub und Huillet in minutenlangen Einstellungen die Gemälde im Louvre untersuchen, während aus dem Off zu hören ist, wie grässlich Cézanne diese Bilder fand. Besagter David etwa sei nicht nur „ein schlechter Maler“, sondern habe gleich „die Malerei getötet“. Doch beim Reden-Lassen bleibt es nicht: Schnitt und Intonation der nachgesprochenen Cézanne-Texte führen eine subtile Auseinandersetzung mit dem Material. Da wird nichts plump zugespitzt und niemand vorgeführt: Das Gespräch über die Kunst ist eben selber welche. So findet man sich als Zuschauer*in bald knietief verstrickt in einen ästhetischen Diskurs, der im Fernsehen längst verkümmert war, als der Film 2004 erschien.
Nostalgisch werden muss man über diese Ruhe und Gründlichkeit übrigens nicht. Die sperrig-schönen Filme wollte auch damals schon niemand finanzieren. Dafür erweist sich die Arbeit als erstaunlich anschlussfähig an die flankierend ausgestellten Positionen von heute.
Für Barunke macht genau das ihren aktuellen Gehalt aus. „Das ist Gegenwart“, sagt die Kuratorin und stellt diverse persönlich und ästhetisch mit Straub, Huillet und/oder Cézanne vebandelten Künstler*innen daneben. Ein Beispiel sei das niederländische Künstlerduo gerlach en koop, das zu „musealen Verhinderungsobjekten“ arbeitet. In Cézannes Atelier in Aix ist ihnen ein Apfel aufgefallen, den wer auf einen Stuhl gelegt hat, damit sich niemand drauf setzt. Im Londoner Sir John Soane’s Museum verwendet man dafür Disteln, anderswo werden Schnüre über die Sitzmöbel gespannt. In der GAK werden diese Objekte nun selbst Ausstellungsgegenstand: als Stillleben erzwungener Rastlosigkeit. Und damit, dass diese Distel in der Aix-en-Provence (der Landschaft Cézannes) stammt, schließt sich dann auch wieder ein Kreis – einer von sehr, sehr vielen.
Bis 26. 5., GAK
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