: Die Ein-Mann-Show
Andreas Hepp, Kulturwissenschaftler an der Uni Bremen, forscht über den Weltjugendtag als Medienevent und die Zukunft der Kirche
Herr Hepp, sie erforschen gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Dortmund, Koblenz und Trier den katholischen Weltjugendtag in Köln. Wie haben sie das Großereignis erlebt? Andreas Hepp: Den Weltjugendtag im Singular hat es nur in den Medien gegeben. Wir haben den Weltjugendtag vor allem aus der Sicht der Journalisten erlebt, die versucht haben, all die unterschiedlichen Momente zu einem Ganzen zusammen zu bringen.
Ist der Weltjugendtag also ein Medienhype? Ein Ereignis in dieser Größe ist jenseits von Medien nicht vorstellbar. Sie sind die Klammer, die das Ganze zusammen hält. Und der Weltjugendtag bietet genau das an, was insbesondere das Fernsehen gerne hat: Eine personalisiertes Ereignis, fixiert auf eine Person. Die Medien – auch die taz – sind wesentlich stärker auf das Thema eingestiegen, als es selbst die katholische Kirche am Anfang vermutet hat.
Wurde der Weltjugendtag für die Medien inszeniert? Die katholische Kirche will an die heutige Jugend- und Popkultur anschließen. Dafür wurde der Weltjugendtag erfunden. Gleichzeitig versucht die Kirche, das mit traditionellen Formen von Gläubigkeit zu verbinden.
Werden die Medien von der katholischen Kirche benutzt?Die katholische Kirche versucht, sich gut in Szene zu setzen. Doch der Weltjugendtag steht in einem viel größeren Kontext. Das können sie gerade an der taz-Berichterstattung gut verfolgen. In den letzten Wochen war der Weltjugendtag immer wieder Anlass, Fragen von Moral, Religion und Sexualität zu verhandeln. Die Interessen der katholischen Kirche und die der Medien greifen so gewissermaßen ineinander.
Wie passt der Papst mit der Spaßkultur zusammen?Das ist, wie wenn ein Rockstar auf einem Open-Air auftritt. Der Segen des Papstes entwickelt sich in der Kommunikation mit den Teilnehmern wie die Zugabe eines Konzerts. Gleichzeitig versucht die Kirche, ihre Glaubensinhalte zu vermitteln.
Eignet sich der aktuelle Papst als Popstar? Wenn sie die aktuelle Bravo anschauen mit dem Starposter des Papstes und der Unterschrift „Bravo Benne“: Ja.
Aber gerade Ratzinger steht ja für das Konservative in der katholischen Kirche.Er steht auch für Authentizität, selbst wenn man anderer Meinung ist. Er steht bei den Jugendlichen für das, was er sagt. Und das interessiert.
Aber viele Jugendliche leben doch völlig konträr zu dem, was der Papst vorgibt.Für die Jugendlichen ist der Widerspruch gar nicht so groß, wie es von außen erscheint. Das zeichnet sich auch in unseren Interviews ab: Für viele Jugendliche besteht das Problem nicht.
Warum? Weil man zwischen dem eigenen Glauben und der Institution Kirche unterscheidet.
Was zieht die Jugendlichen dann auf den Weltjugendtag der Institution Kirche? Die Jugendlichen suchen ein außeralltägliches Gemeinschaftserlebnis. Und das wurde ihnen auch geboten. Je fragmentierter Gesellschaften und Kulturen sind, je größer ist der Bedarf an solchen situativen Erlebnisangeboten. Gleichzeitig lehnen viele die Verbindlichkeit traditioneller Gemeinschaften wie der Familie oder bisheriger kirchlichen Gruppen ab. Das rollt jetzt auch über die Kirche hinweg. Sie muss der allgemeinen Tendenz zur Eventisierung gerecht werden, wenn sie Anschluss finden will an die gegenwärtige Welt.
Wird es in Zukunft also mehr von solchen Events geben? Ja. Interview: Jan Zier