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Sylvia Prahl sucht nach den schönsten Spielsachen

Die Weihnachtsgeschichte ganz klassisch kann jeder und ist an Heiligabend in vielen Kirchen zu genießen. Im Figurentheater Grashüpfer im Treptower Park wird sie vom Andersons Koffertheater etwas anders interpretiert. In „Ein neuer Stern über Bethlehem“ machen sich Maria und Josef aus Galiläa nicht nach Bethlehem auf, um sich zählen zu lassen, sondern weil sie auf der Flucht sind. Und die Herbergen Bethlehems sind überfüllt, weil die Leute keine Fremden mögen und der Heiligen Familie deshalb kein Obdach gewähren. Die drei Könige folgen, ganz klassisch, dem Stern und beschenken das Kind. An diesem Punkt endet die Geschichte meistens. Dass aber König Herodes aus Angst, dass ihm der neue König die Alleinherrschaft streitig machen könnte, alle neugeborenen Jungs im Land ermorden lässt, und Jesus diesem Schicksal nur entgeht, weil seinen ­Eltern die Flucht gelingt, wird den Kindern ab vier Jahren nicht vorenthalten. Das mobile Theater von Henrik Rosenquist Anderson will so eine „gute Grundlage für eine Auseinandersetzung mit dem Thema Weihnachtstradition, Menschlichkeit, Flucht und Vertreibung“ schaffen. Schadet ja nie, sich bewusst zu machen, dass Friede und ein sicheres Leben nicht selbstverständlich sind (22. & 23. 12., 28.–30. 12. um 16 Uhr, am 24. 12. um 14 Uhr, Karten Kinder 5 €, Erwachsene 8 €, Telefon: 030 53 69 51 50).

Realität ist eine Frage der Perspektive. Das dachte sich wohl auch Ulrich Hub. Er erzählt in „Das letzte Schaf“ die Weihnachtsgeschichte aus der Perspektive der in der Heiligen Nacht von ihren Hirten zurückgelassenen Schafe. Kinder, die mit der klassischen Geschichte vertraut sind, haben ihren Spaß daran, die vielen Anspielungen zu entschlüsseln. Wer sie nicht kennt, dem erzählt der Berliner Autor eine Geschichte vom Weg der Erkenntnis – davon, dass es Sinn macht zusammenzuhalten. Dass jeder einzigartig ist – jedes Schaf in der Herde hat seine egozentrische Macke – und, ohne es zu wissen, eine besondere Gabe hat. Und dass es Sinn macht, das eigene Handeln ab und an zu überdenken. Die Häscher des bösen Königs sind auch hier unterwegs, in Gestalt von verschlagenen Wölfen mit Sonnenbrillen. Dass sie das Kind mit dem lockigen Haar nicht kriegen, ist übrigens den Schafen zu verdanken. Und dass wir alljährlich „Stille Nacht“ schmettern können, auch. Der Frankfurter Illustrator Jörg Mühle hat den amüsanten Perspektivwechsel mit monochromatischen Bildern versehen, die den warmherzigen Humor der Geschichte mit wenigen Strichen veranschaulichen (Carlsen Verlag, Hamburg, 2018, 80 Seiten, ab 8, 13 €).

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