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„Eine Frage des Diskurses“

Talkrunde Familien sprechen über vielfältige Formen und Möglichkeiten des Zusammenlebens

Ruth Heß

■ 37, ist Diplom-Theologin und Gleichstellungsbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche.

taz: Frau Heß, der klassische Familienbegriff geht von einer Vater-Mutter-Kind-Konstellation aus. Was bedeutet Familie für eine Diakonisse?

Ruth Heß: Eine Diakonisse lebt mit Frauen ihres Mutterhauses teilweise seit Jahrzenten in einer Gemeinschaft. Sie hat sich aufgrund ihres Glaubens für diese Lebensform entschieden – das ist für sie ihre Familie. Es gibt sehr viele verschiedene Formen des Zusammenlebens. Familie bedeutet für mich, dass Menschen zusammenleben und verlässlich füreinander Verantwortung übernehmen – das müssen nicht immer Vater, Mutter und Kind sein.

Gerade die Kirche spricht sich aber doch für diese traditionelle Definition einer Familie aus.

Schon in der Bibel gibt es keinen einheitlichen Familienbegriff. Die Bibel stammt aus einem Zeitalter, in dem zum Beispiel Homosexualität ganz anders gesehen wurde als heute. Zugleich gibt es dort auch sehr innige Beziehungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts. Die Geschichte von Ruth und Naomi aus dem Alten Testament etwa beschreibt eine Lebensgemeinschaft zweier Frauen, die zueinander sagen: „Ich will dich nie mehr verlassen, nur der Tod soll uns scheiden“ – dieser Ausspruch wird heute noch von heterosexuellen Brautpaaren als Trauspruch gewählt.

Stoßen Sie häufig auf Widerspruch aus der Bremischen evangelischen Kirche?

Es gehört zum Mensch-Sein dazu, dass man nicht immer einer Meinung ist. In der Kirche ist das wie überall eine Frage des Diskurses. Wenn jemand meine Gedankenanstöße nicht teilt, müsste man darüber ins Gespräch kommen. Für die meisten Menschen ist es jedoch eine Überraschung und Bereicherung, zu sehen, wie vielfältig die Bibel ist.

 INTERVIEW: KATHERINE RYDLINK

„Was heißt denn hier Familie?“, 19.30 Uhr, Evangelische Friedenskirche, Humboldtstr. 177

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