: Fans klammern sich an 50+1
Hannover 96 streitet sich öffentlich mit der Interessengemeinschaft Pro Verein. Das zeigt, dass der Verein seine kritischen Mitglieder als ernste Bedrohung wahrnimmt – und als großes Ärgernis
Von Andrea Maestro
Hannover 96 nimmt seinen Widersacher, die Interessengemeinschaft Pro Verein 1896, mittlerweile offenbar als echte Bedrohung wahr. Der Ton gegenüber den kritischen Vereinsmitgliedern, die verhindern wollen, dass Klubchef Martin Kind die 50+1-Regel abschafft, wird schärfer. Es ist ein Hickhack aus Stellungnahmen, Gegenreden und Faktenchecks zwischen 96 und Pro Verein entstanden. Was das zeigt? Hannover 96 will die Positionen der Opposition nicht einfach stehen lassen, denn sie werden gehört.
„Unverantwortlich und nicht zu akzeptieren“, „ohne sportliche und wirtschaftliche Sachkenntnis mit falschen Behauptungen“, „nahezu abenteuerlich“, „von Unwissenheit und Oberflächlichkeit geprägt“ – so reagiert Hannover 96 in Pressemitteilungen auf die Kritik von Pro Verein und wirkt getroffen.
Martin Kind versucht, den Verein für Investoren zu öffnen, um ihn für die Zukunft zu rüsten. Im Weg steht diesen Plänen die 50+1-Regel der Deutschen Fußball Liga (DFL). Die besagt, dass 50 Prozent plus ein Anteil an der Profifußballsparte beim Verein und damit bei den Mitgliedern liegen müssen.
Es gibt Ausnahmen: Werksvereine wie der VfL-Wolfsburg, der schon immer eng mit Volkswagen verwoben war, gehören dazu. Die TSG 1899 Hoffenheim bekam 2015 eine Ausnahmegenehmigung, weil Mäzen Dietmar Hopp den Verein über 20 Jahre „erheblich“ gefördert hat.
Auch Kind hat einen Antrag auf eine solche Ausnahme gestellt und ist damit gescheitert. Die DFL sah das Kriterium der „erheblichen Förderung“ bei ihm nicht erfüllt. Kind hat also offenbar zu wenig privates Geld in den Verein gesteckt, damit eine Ausnahme von 50+1 für ihn gerechtfertigt wäre. Doch Hannover 96 zog vor ein internes Schiedsgericht der DFL.
Drei Richter sollen nun darüber entscheiden, ob die Ablehnung der DFL bestehen bleibt. Mit welcher Vehemenz Kind in der Zwischenzeit die Abschaffung von 50+1 vorantreibt, zeigen zwei Punkte: Der Vertrag, mit dem er 51 Prozent der Hannover 96 Management GmbH übernehmen würde, ist bereits unterschrieben, aber bis zur Entscheidung des Schiedsgerichtes noch nicht rechtskräftig.
Zudem hat 96 gerade die Satzung der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA geändert – der Firma im Geflecht von Hannover 96, die zwischen dem Mutterverein und den Investoren steht. Pro Verein kritisiert, dass dadurch der Einfluss der Investoren im Aufsichtsrat der KGaA zu groß und demgegenüber der indirekt vom Verein gestellte Geschäftsführer geschwächt werde. Hannover 96 weist alle Kritik zurück. Die Satzung des Muttervereins sei nicht berührt. Die Änderung lediglich eine „gesellschaftsrechtliche Entscheidung“.
Die DFL prüft nun, ob die Satzungsänderung gegen die 50+1-Regel verstößt. Erfahren hat der Verband davon erst aus der Presse. Eigentlich wäre 96 verpflichtet gewesen, eine solche Änderung zu melden. „Wir stellen sicher, dass alle Klubs dieselben Rahmenbedingungen haben“, sagt ein DFL-Sprecher. Zum Stand der Prüfung der Satzungsänderung macht er keine Angaben.
Dass 96 die Lizenz sofort entzogen wird, sollte die Satzung gegen 50+1 verstoßen, scheint unwahrscheinlich. Der Verein würde wohl zunächst dazu aufgefordert, die Änderung rückgängig zu machen.
Doch die Fans machen Druck und kritisieren, Kind riskiere die Bundesliga-Lizenz. Kürzlich haben sie 1.310 Unterschriften gesammelt, um eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu erzwingen, auf der die Aufsichtsräte, die Kinds Plänen wohlgesonnen sind, abgewählt werden sollen. Ob und wann die Versammlung stattfindet, dazu äußert sich 96 noch nicht. Aber die Kritiker haben sich damit Gehör verschafft.
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