unterm strich:
Die Alpenrepublik schaut in die Vergangenheit
Österreich feiert ein Jubiläum, nämlich 100 Jahre Österreichische Republik, und erstmals befasst sich Österreich in einem Bundesmuseum intensiv und kritisch mit seiner jüngeren Vergangenheit. Das „Haus der Geschichte Österreich“, das am Samstag in der Wiener Hofburg eröffnet wird – genau genommen handelt es sich nur um eine Etage und nicht um ein Haus –, sei ein Meilenstein in der Museumslandschaft der Alpenrepublik und ein klares Bekenntnis des Landes zur Auseinandersetzung mit allen Facetten der vergangenen 100 Jahre, sagte die 42-jährige Museumsdirektorin und Historikerin Monika Sommer gestern in Wien. Rund 20 Jahre lang wurde über die Errichtung des Museums debattiert. Ob die österreichischen Zeitverhältnisse oder die österreichischen Erinnerungsverhältnisse hier Schuld hatten, sei an dieser Stelle dahingestellt. Erst 2017 nahm die Verwirklichung angesichts des bevorstehenden 100. Jahrestags der Gründung der Republik Fahrt auf. Auf den 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist unter anderem das „Waldheimpferd“ zu sehen – eine vier mal vier Meter große Holzkonstruktion eines Vereins, die 1986 in plakativer Weise an die NS-Vergangenheit des damaligen Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim erinnerte. Waldheim war Mitglied einer NS-Reiterstaffel, hatte sich aber immer bemüht, seine Rolle unter den Nazis herunterzuspielen. Unter dem Titel „Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918“ werden unter anderem das Elend der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, die Zeit des sogenannten Austrofaschismus in den 1930er Jahren, der Anschluss an Nazi-Deutschland 1938 und die Beteiligung der Österreicher am Völkermord an den Juden thematisiert. Die Ausstellung solle dazu beitragen, die oft „erschütternde“ Unkenntnis der Jugend zu bekämpfen, meinte der Historiker Oliver Rathkolb. Wurde ja mal Zeit. Aber was sagt die FPÖ dazu? Fast nichts. Die Ruhe vor dem Sturm wahrscheinlich.
Die Stars der Moderne kämpften für Demokratie
Während der Revolution 1918 in Berlin schlossen sich Künstler, Architekten, Schriftsteller, Komponisten und Filmemacher zur sogenannten Novembergruppe zusammen, um für Freiheit, Demokratie und Vielfalt einzutreten. Hundert Jahre später gibt die Berlinische Galerie in einer Ausstellung erstmals einen umfassenden Überblick über die unkonventionelle Künstlervereinigung. Unter dem Titel „Freiheit“ sind von Freitag an rund 120 Werke von 70 Künstlern zu sehen, darunter von Stars der Moderne wie Otto Dix, Walter Gropius, George Grosz, Paul Klee und Piet Mondrian, aber auch viele Neuentdeckungen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten brach die Vereinigung auseinander und geriet lange in Vergessenheit. Erst intensive Recherchen in Nachlässen und Archiven hätten die Ausstellung möglich gemacht, hieß es.
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