: „Trittin klopft Sprüche“
Die Grünen haben „ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, sagt Angela Merkels Umweltbeauftragte Gerda Hasselfeldt
INTERVIEW HANNES KOCH
taz: Frau Hasselfeldt, Sie sind Angela Merkels Fachfrau für die Umwelt. Haben Sie schon die Schäden des Hochwassers in Bayern begutachtet?
Gerda Hasselfeldt: Die Aufgabenverteilung gebietet es, dass der bayerische Ministerpräsident und die zuständigen Landesminister vor Ort sind. Ich beabsichtige nicht, das Leid der Menschen für den Wahlkampf zu missbrauchen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder kritisiert, Bayern habe zu wenig für den Schutz vor Hochwasser getan.
Das ist eine merkwürdige Vorhaltung. Nach dem großen Hochwasser 1999 hat Bayern Hervorragendes geleistet. Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin hat uns doch am Mittwoch höchstpersönlich gelobt. Dann ist er wohl zurückgepfiffen worden und muss nun das Gegenteil behaupten.
Von den 36 Millionen Euro, die 2004 im bayerischen Haushalt für Hochwasserschutz zur Verfügung standen, seien nur 28 Millionen ausgegeben worden, sagt Trittin. Stimmt das?
Sie dürfen nicht nur die nackten Zahlen betrachten. Manchmal sperren sich ja auch Bürgerinitiativen gegen Baumaßnahmen, und dann kann die Politik nicht so schnell handeln, wie sie will.
Hat Trittin mit seinen Zahlen Recht?
Fakt ist, dass Bayern seit 1999 fast 700 Millionen Euro in den Hochwasserschutz investiert hat.
Hat das Hochwasser Ihrer Einschätzung nach etwas mit Klimaveränderungen durch den Menschen zu tun?
Das ist nicht die einzige Ursache, aber eine wichtige. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und anderen klimaschädlichen Gasen zu verringern.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnt konkrete Ziele für die CO 2 -Reduzierung als zu teuer ab und will aus dem Klimaschutzvertrag von Kioto aussteigen. Halten Sie das für richtig?
Ich stehe zu Kioto und meine, dass wir uns darüber hinaus weitere Reduktionsziele setzen müssen. Die freiwillige Förderung von Umweltinvestitionen wie in den Vereinigten Staaten ist gut, reicht aber nicht aus.
Woher kommt der Eindruck, dass sich die Union für Klima- und Umweltschutz eigentlich nicht interessiert?
Wir haben wahrscheinlich zu wenig darauf hingewiesen, dass wir die wahren Vorreiter des Umweltschutzes waren. Das CSU-regierte Bayern hat als erstes Bundesland ein Umweltministerium eingerichtet. Unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl hat Angela Merkel sich stark für den Klimaschutz eingesetzt. Außerdem haben wir das erste Gesetz für die Einspeisung ökologischen Stroms erfunden.
Sie sprechen über die Vergangenheit. Wo sind die Umweltpolitiker der Union, die die aktuellen Debatten führen?
Selbstverständlich die Bundestagsabgeordneten Peter Paziorek, Klaus Lippold und viele andere. Aber schauen Sie doch in unser Wahlprogramm, dann sehen Sie, was wir wollen: Zum Beispiel eine Kioto-Plus-Initiative und eine Klimaschutzallianz für Deutschland.
Bei der Bundestagswahl 2002 unterlag die Union auch, weil im Schattenkabinett zunächst niemand für Umwelt zuständig war. Der CSU-Abgeordnete Josef Göppel klagt nun, Ihre Partei habe aus diesem Fehler nichts gelernt.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich vertrete das Thema „Umwelt“ im Kompetenzteam – neben Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Energie. Die ökologische Frage fällt bei uns nicht unter den Tisch. Nicht zuletzt war Angela Merkel lange Jahre Umweltministerin.
Sind Sie denn die kommende Umweltministerin?
Das entscheiden wir nach der Bundestagswahl.
Würden Sie es gerne werden?
Ich erfülle erst einmal die Aufgabe, die ich habe. Die besteht im Augenblick darin, die Wahl zu gewinnen.
Ist der Eindruck richtig, dass bei Ihnen persönlich die Umweltpolitik in den vergangenen Jahren nicht im Fokus stand?
Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende bin ich für die Bereiche Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Kommunales, Tourismus zuständig – und seit einigen Monaten auch für Energie. Diese Themen sind doch mit dem Umweltschutz sehr eng verbunden.
Ist der Grüne Jürgen Trittin ein guter Umweltminister?
Er ist gut im Sprücheklopfen und im Herausgreifen einzelner Themen. Aber er hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Denken Sie an das Endlager für nukleare Abfälle, das wir immer noch nicht haben. Die Erkundungsarbeiten in Gorleben hat Trittin ohne Alternative abbrechen lassen.
Kann man mit der Suche nach einem Endlager, das niemand will, Punkte machen?
Schlecht, deswegen hat Trittin sich dieses Themas auch nicht angenommen.
Unterstellt, Sie würden Umweltministerin, setzten Sie das atomare Endlager dann sofort auf die Tagesordnung?
Dieses Problem liegt auf dem Tisch. Wir müssen es lösen – auch wenn es unpopulär ist.
Um am Weltmarkt bestehen zu können und Arbeitsplätze zu sichern, muss Deutschland vor allem hoch qualitative, innovative Produkte herstellen. Gilt das nicht auch für die Landwirtschaft – Ökolebensmittel statt Zuckerrüben?
Auch Nahrungsmittel aus konventioneller Produktion haben bei uns eine hohe Qualität. Deshalb gibt es gar keinen Grund, die Mehrheit der Bauern, die nun einmal konventionell arbeitet, ständig zu diffamieren oder zu benachteiligen. Das aber hat Rot-Grün gemacht. Kamen aus der EU neue Vorschriften, hat die Bundesregierung die Standards hier noch einmal zusätzlich verschärft – oder auch die Zuschüsse für Agrardiesel gekürzt.
Die Union will die Subventionen für eine alte Industrie, den Bergbau, radikal streichen. Warum streicht sie nicht auch die Förderung für die alte Landwirtschaft?
Mit dem Begriff „Subvention“ müssen Sie vorsichtiger umgehen. Wenn wir den Bauern Gegenleistungen für die Landschaftspflege zahlen, ist das keine Produktsubvention im alten Stil mehr.
Qualitativ hochwertige Biolebensmittel erzielen höhere Preise als Massengüter wie konventionelle Milch. Verweigern Sie sich dieser Einsicht, weil Ihre Klientel eben die traditionellen Bauern sind?
Ich habe diese Schwarz-Weiß-Malerei langsam satt. Mir ist jeder Landwirt, der vernünftig wirtschaftet, gleich lieb – egal ob er konventionell oder ökologisch arbeitet. Der Bioerzeuger hat höhere Kosten, dann braucht er selbstverständlich auch höhere Preise.
Was betrachten Sie als Ihren größten politischen Erfolg?
Dass ich 1987 in den Bundestag gewählt und zwei Jahre später Bauministerin wurde – gerade in der Zeit der Wiedervereinigung, die mich sehr bewegt hat.
Und Ihre größte Niederlage?
Zweifellos mein Rücktritt vom Amt als Bundesgesundheitsministerin 1992.
Als Bauministerin machten Sie eine gute Figur. Warum hat es als Gesundheitsministerin nicht geklappt?
So etwas hat immer verschiedene Ursachen. Ein neues Ministerium musste komplett aufgebaut werden, ohne funktionierende Verwaltung. Hinzu kamen der Druck um die schwierige Gesundheitsreform und gesundheitliche Probleme. Dies alles hat letztlich dazu geführt, dass ich damals nicht weitergemacht habe.
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