: Der ruhige Fluss der Bilder
Sein Blick erschuf ein fast schon übertrieben amerikanisches Amerika. Der Filmrauschpalast würdigt Robby Müller mit einem kleinen Sonderprogramm
Von Andreas Hartmann
Bei über 50 Filmen war der im Juli im Alter von 78 Jahren gestorbene Robby Müller als Kameramann für Farbgebung und Licht zuständig. Die Karriere des Niederländers war ziemlich international und er arbeitete mit ein paar der besten und einflussreichsten Regisseuren der letzten Jahrzehnte zusammen. Dabei schaffte er es immer, den Filmen seinen eigenen, spartanischen Robby-Müller-Look zu verleihen. Er war ein Kameramann mit einem ganz eigenen Stil.
Dem Neuen Deutschen Film verhalf er vor allem durch seine regelmäßige Zusammenarbeit mit Wim Wenders in den Siebzigern zum internationalen Erfolg, mit Lars von Trier prägte er das europäische Autorenkino neu und mit Jim Jarmusch den amerikanischen Independentfilm. Noch Ende letzten Jahres widmete das Berliner Museum für Film und Fernsehen diesem Großen seiner Zunft eine eigene Ausstellung: „Robby Müller – Master of Light“. Nur wenige Kameramänner in der Geschichte des Kinos bekamen überhaupt derartige Würdigungen. Nun, kurz nach seinem Tod, zeigt der Filmrauschpalast in einer kleinen Hommage an Robby Müller zwei der wichtigsten Filme, die er mitgeprägt hat, „Der amerikanische Freund“ und „Paris, Texas“, beide von Wim Wenders.
Zu Beginn seiner Karriere Ende der Sechziger war Robby Müller ganz ein Kind der Nouvelle Vague und des allgemeinen Strebens nach einem Neubeginn des Kinos zu der Zeit. Raus aus den Studios, war auch für ihn das Credo, und mitten rein in das pralle Leben, auf die Straße, unter die Leute, das war sein Ding. Papas Kino war tot, der Neue Deutsche Film suchte nach neuen Bildern und Stoffen und dafür war Müller genau der Richtige.
Bereits bei seinen ersten Filmen für Wim Wenders, der es mit Road Movies amerikanischer Prägung versuchte, verzichtete er auf übertriebene Ausleuchtungen und Kamera-Akrobatiken. Der ruhige Fluss der Bilder wurde dann zu seinem Markenzeichen. Was ihm dann später auch das Interesse des Dogma-Regisseurs Lars von Trier eingebracht haben dürfte, der die Absage an jede Form von Studio-Sterilität und künstliches Licht noch radikalisierte.
Müller war ein Minimalist, der am liebsten mit natürlichem Licht arbeitete, um eine „Echtheit“ der Bilder zu erzeugen. Auf die Effekte von Nahaufnahmen verzichtet er weitgehend, um lieber mit Weitwinkel-Objektiven und langen Einstellungen zu arbeiten. Das führte zu diesen typischen Robby-Müller-Panorama-Bildern, für die besonders schön „Paris Texas“ steht, in dem die Europäer Wenders und Müller mit einem an den Bildern von Edward Hopper geschulten Blick ein fast schön übertrieben amerikanisch wirkendes Amerika erschufen.
Zu sehen, wie in diesem epischen Film Robby Müllers Kamera den Hauptdarsteller des Films, den auch eben erst im letzten Jahr gestorbenen Harry Dean Stanton, auf seiner Odyssee durch Texas begleitet, ist immer noch ein großes Vergnügen. Der Film war damals ein Triumph, gewann 1984 die Goldene Palme in Cannes und ist Wenders’ unübertroffenes Meisterwerk, bei dem bis hin zum Soundtrack von Ry Cooder alles stimmt.
Wie sehr Wenders und Müller bereits vom amerikanischen Kino und von amerikanischen Mythen geprägt waren, bevor die beiden sich selbst in die USA begaben, um dort zu arbeiten, zeigte sich auch schon in „Der amerikanische Freund“ aus dem Jahr 1977. Der Film war eine Verfilmung des Krimis „Rilpey’s Game“ von Patricia Highsmith und neben Bruno Ganz war in der Rolle von Tom Ripley niemand Geringeres als der knurrige Dennis Hopper zu sehen, der in Cowboy-Manier einen echten Stetson trug, was ihn schon fast klischeehaft amerikanisch wirken ließ. Wenders und Müller bekundeten auch über dieses Werk, es sei von Edward Hoppers Amerika-Bildern beeinflusst und Cineasten finden in ihm zig Anspielungen an den reichen Schatz amerikanischer Mythen. Gefilmt und in Szene gesetzt vom unvergleichlichen Robby Müller.
Hommage an Robby Müller: Filmrauschpalast, Lehrter Straße 35, „Der amerikanische Freund“ läuft am 19. 8. um 17.30 Uhr, am 26. 8. um 15.30 Uhr; „Paris, Texas“ am 19.8. um 14.30 Uhr
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