piwik no script img

Aktion gegen die Berliner AfDGrundgesetz eiskalt serviert

Aktivisten von „ReconquistaInternet“ platzieren Eisblöcke vor der Berliner AfD-Zentrale. Sie wollen die Partei damit zum Gespräch über die Verfassung auffordern.

Die Aktivist_innen wollen der AfD das Grundgesetz nahebringen Foto: #ReconquistaInternet

Fünf große Eisblöcke tropfen vor dem Eingang der Berliner AfD-Zentrale vor sich hin. In ihnen eingeschlossen liegt jeweils eine Ausgabe des Grundgesetzes. Aktivist_innen der Online-Plattform „ReconquistaInternet“ haben sie hier in den frühen Morgenstunden zum 69. Geburtstag des Grundgesetzes abgelegt. Im Lauf des Tages soll das Eis geschmolzen sein und die Verfassung ihren Weg zur AfD gefunden haben, wie die Aktivist_innen in einer Presseerklärung mitteilen (PDF).

Als Grund für die Aktion geben sie an, dass die AfD-Abgeordneten ein unterkühltes Verhältnis zu verfassungsmäßig garantierten Rechten wie der Religions- und Pressefreiheit, der Menschenwürde und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hätten. Das hätten sie in persönlichen Gesprächen mit den Abgeordneten festgestellt.

Es soll aber nicht allein bei dieser symbolischen Aktion bleiben: Die Mitglieder der Internetbewegung wollen das „unterkühlte“ Verhältnis zur Verfassung erwärmen, indem sie mit AfD-Politiker_innen über den Inhalt und das Verständnis des Grundgesetzes ins Gespräch kommen.

Wie genau die Gespräche zwischen Aktivist_innen und AfDler_innen ablaufen sollen, steht nicht in der Pressemitteilung. „Es ist wichtig, die Öffentlichkeit über die unterkühlte Haltung der AfD zum Grundgesetz zu informieren. Ob man Populisten allein durch Reden von ihrer Haltung abbringen kann, ist aber fraglich, weil es ihnen nicht um Fakten geht, sondern darum Ressentiments zu schüren“, kommentiert Rechtsextremismusexperte Stefan Lauer von der Amadeu Antonio Stiftung die Aktion.

Das Eis schmilzt in der Sonne schnell, der harte Kern bleibt: das Grundgesetz mal ganz erfrischend Foto: #ReconquistaInternet

Erst vor knapp einem Monat hatte Fernsehmoderator Jan Böhmermann Internetnutzer dazu aufgerufen, sich unter dem Motto „Reconquista Internet“ zusammenzuschließen, um dem Hass und den Provokationen von Rechten im Internet etwas entgegenzusetzen. Der Aufruf war der Startschuss für die Internetplattform, deren Macher_innen sich selbst als „digitale Bürgerrechtsbewegung“ beschreiben. Sie seien ein „privater, überparteilicher Zusammenschluss“, der sich „für Liebe und Vernunft im Internet“ einsetze.

Der Name der Plattform bezieht sich auf das rechte Netzwerk „Reconquista Germanica“, das sich selbst als „satirisches Internetprojekt ohne Bezug zur Wirklichkeit“ beschreibt. Die Gruppe lässt in ihrem Namen die „Rückeroberung Deutschlands“ anklingen. Sie gilt als militärisch aufgebaut und startete ihre Aktivitäten 2017 mit dem Ziel, die AfD mit einer möglichst hohen Stimmenzahl in den Bundestag zu bringen. Mit Hashtag-Kampagnen, Hassrede und Hetze versucht sie, Diskurse im Internet zu domininieren.

Welche von den beiden Bewegungen das Internet letztendlich erobert, hängt hoffentlich doch von den besseren Argumenten ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • „Am Grundgesetz geht kein Weg vorbei“

     

    Eine unanfechtbare Aussage!

     

    Artikel 1 (die Menschenwürde) und Artikel 20 (Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip; alle Staatsgewalt geht vom Volke aus) sind durch die Ewigkeitsklausel (vgl. Art 79, Abs. III GG) für Deutschland unsterblich! Und besonders die Menschenwürde hat universelle Geltung für alle Menschen - rassen- , nationalitäts- und herkunftsunabhängig, was mehrere Vorhaben und Vorschläge der AfD unmittelbar unmöglich macht, unabhängig davon, wie viele Wählerstimmen diese Partei selbst wenn nur theoretisch je haben kann!

  • „Welche von den beiden Bewegungen das Internet letztendlich erobert, hängt hoffentlich doch von den besseren Argumenten ab.“

     

    Die Einführung des Grundgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland war die Hauptbedingung, damit unser Land die Souveränität wieder erhält. Und das war ursprünglich auch die wichtigste Maßnahme, damit in der Zukunft so ein Verbrecher wie Hitler und so eine rechtsextreme Partei wie NSDAP nie wieder die alleinige Macht über Deutschland erringen.

     

    Bevor es das Grundgesetz gab hat eine einzelne Person, Adolf Hitler die ganze Macht in Deutschland an sich gerissen, auch mit unterschiedlichen repressiven Maßnahmen und es Begann das schlimmste Verbrechen aller Zeiten gegen die Menschheit und massenhafteste Vernichtung von Menschen in der Geschichte der Existenz von Menschen auf dieser Erde.

     

    Ist dieses Argument zu schlagen?

  • Besondere Bedeutung haben aufgrund der Erfahrungen aus dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat die im Grundgesetz verankerten Grundrechte. Sie binden alle Staatsgewalt als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1, Abs. III). Durch ihre konstitutive Festlegung sind die Grundrechte also nicht nur bloße Staatszielbestimmungen; vielmehr bedarf es in der Regel keiner rechtsprechenden Instanz zu ihrer Wahrnehmung und die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung sind an sie gebunden.

     

    Somit macht die Initiative an eine der wichtigsten Bestimmungen des Grundgesetzes aufmerksam. Und immer muss man sich an die Entstehung des Grundgesetzes erinnern und immer muss man alle Menschen und Behörden auf die unmittelbare Geltung der Grundrechte in Deutschland hinweisen!

  • Unglaublich schöne Aktion. Hoffnung für Menschlichkeit und die Vernunft?

    Ich wage das hoffen seit langem mal wieder. Danke dafür!