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Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnMundart aufs Maul

Pauschal etwas gegen die Bayern zu haben, ist das Rassismus? Wahrscheinlich schon. Aber ich zum Beispiel habe nichts gegen Bayern, einige meiner besten Freund*innen sind Bayern – und die würden auch jederzeit die Hand für mich ins Feuer legen und auf ihre herzerweichend debilen Weise entrüstet auf den Tisch schlagend klarstellen: „A Raschist?! Desch issa net, dea Saupreiß!“ (Transkriptionsfehler gehen auf meine Kappe.)

Die Rapmusikanten Dicht & Ergreifend nicht zu mögen, geht zum Glück auch ohne alberne Versuche, sich über ihre Sprache zu amüsieren. Ihr Musik zum Beispiel ist dumpf schematisch, taugt zum Hochhüpfen vielleicht gerade noch – aber schon aufs Landen hat man dann so recht keine Lust mehr. Dass sie auf Bayrisch rappen, hat man schnell verstanden, dass sie auch live eine Tuba mitnehmen, um diese satt nach Fürzen klingenden Bässe zu machen, ist auch kaum zu übersehen.

Schlimmer ist das Herumgespiele mit Symbolen. Es gibt zum Beispiel so ein Foto von dem einen Typen: Er steht da mit Sonnenbrille und offenem Hemd, die Arme lässig verschränkt und ein Grinsen im Gesicht, das den feixenden Schuljungen (sorry, -bub) nur mühsam zu verbergen versucht. Vor ihm hockt, das Gesicht bei ihm im Schritt am offenen Latz der Lederhose, eine Frau mit blondem Flechtzopf im Dirndl.

Eigentlich sind Dicht & Ergeifend korrekte Jungs (in echt übrigens längst Berliner statt bayrische). Sie haben einen Track gegen Flüchtlingshass und Überfremdungsängste gemacht. „Ned dahoam“ heißt der und den kann man sich wirklich mal anhören. Und sie legen sich eben auch an mit schlechten Sachen: Auf ihre miefige Art mit dem Mief von zu Hause und so weiter und so fort.

Und an versöhnlichen Tagen könnte man ihnen ja auch zugestehen, dass ihre Anti-Folklore-Folklore wenigstens aus Versehen mal hier und da ganz lustig ist. Aber heute ist kein versöhnlicher Tag. Außerdem fügt sich das alles halt auch viel zu gut ein, um wirklich irgendwo anzuecken. Das Schmiermittel Ironie mag seit den 90ern ein bisschen ranzig riechen, aber es flutscht halt noch. Die Kritik am eigenen Volkskollektiv aus der Lederhose über irgendwelche Bummsbeats zu witzeln – das ist exakt drei Sekunden lang witzig. Und wenn sie dann aufgeht im herzlichen Schaulaufen lustiger Eigenheiten, dann ist auch egal, ob wer eine ironische Bayernatze ist – oder eine authentische.

Fr, 18. 5., 19 Uhr, Lagerhaus

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