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Enorme Wucht und tote Magie

Die schwedische Künstlerin Anna von Hausswolff gastierte am Sonntag im Berliner Festsaal Kreuzberg

Von Kirsten Riesselmann

Da ist etwas an Anna von Hauss­wolff, das fasziniert, weil es Rätsel aufgibt, weil es in keine Schublade passt. Auf ihrem Debütalbum war sie 2010 noch eine Piano spielende Singer-Songwriterin. Auf dem zweiten stieg sie um auf die düster-sakrale Pfeifenorgel – seitdem ihr unique sales point –, in einem Video ließ sie Blut fließen. Mit „The Miraculous“ (2015) war sie dann vollends in der wabernden Fläche des abgründigen Mysteriums einer unbeteiligt grausamen Natur, die Songs wurden epischer, im Video erschlug sie in dunkler Waldesruh einen Menschen.

Und jetzt sattelt die 31-jährige Künstlerin aus dem schwedischen Göteborg auf ihrem neuen Werk „Dead Magic“ noch mal drauf: Auf den fünf, teils über 15-minütigen Tracks entfaltet sich eine nächtlich-vernebelte, morastige Landschaft aus visuellen Sounds, auf die nur gelegentlich ein Sonnenstrahl trifft. Die Bässe stehen als Drone, von Hausswolffs kontrapunktisch eingesetzter Sopran kann vieles zwischen Kirchenchor, gespenstischem Vibrato, druckvollem Schrei und hexenhaft nach oben in die Koloratur wegrutschendem Glissando. Im Video zu „The Mysterious Vanishing of Electra“ buddelt sie ihr Alter Ego aus nasser Erde und rennt vor sich selbst davon. Die Texte machen große Fässer auf, Existenzielles galore, mal metaphysische Clairvoyance, mal bodenlose Verzweiflung. Man hat Anna von Hausswolffs Musik mit Begriffen wie „Doom-Pop“ und „Funeral Pop“ bedacht.

Doch die Person, die am Sonntag mit ihrer Band im Berliner Festsaal Kreuzberg auf der Bühne steht, will dazu nicht passen: Höflich und gut gelaunt, ein schmaler, blonder Mensch im Burgfräulein-Kleid mit Elbenzöpfchen, der Witze macht, strahlend durch die Menge schreitet und hinterher am Merch-Stand herumwieselt und lachend Autogramme gibt. Ein wandelnder Widerspruch. Widersprüchlich ist auch ihre Musik, die viele Genres touchiert, ohne fest verankert zu sein. Was sich an ihrem Publikum ablesen lässt: Ein paar Hipster, die das Angesagte an Anna von Hauss­wolff wittern. Viele ergraut-zauselige Freunde des Prog- oder Improv-Rock. Einige Pärchen, die zu den zart folkigen Intermezzi kuscheln. Daneben die kajalumrandeten Ausdruckstänzerinnen, die sich an die fast Vangelis-hafte Synthie-Opulenz halten. Und vereinzelt dazwischen ein paar Metaller, die während der starken, den Körper in die Immanenz zwingenden Drone- und Lärmpassagen hehr die Matte schwenken.

Was auf Platte immer schon fesselnd, als Konzert vor ziemlich exakt zwei Jahren im Berghain noch zu brav und etwas langweilig war, wurde am Sonntag im Festsaal zu einer runden, begeisternden Angelegenheit.

Von Hausswolff tritt deutlich souveräner auf, singt sich nah an der Perfektion auch in die anspruchsvollsten Höhen. Ihre Band scheut nicht die beherzt-krachige Annäherung an die US-Drone-Götter Sunn O))) – deren Produzent Randall Dunn auch für „Dead Magic“ verantwortlich zeichnet –, der Sound schichtet und potenziert sich, entfaltet enorme Wucht, bleibt dabei trotzdem kristallin. Wenn tote Magie so klingt, dann entstammt sie einer im Guten entzauberten Welt. Einer Welt, die Pathos, Härte, Schönheit, Chaos, Depression, Irrsinn, Frohsinn, Introspektion und Extrovertiertheit auf eine sehr eigene, autonome Weise zusammenführt.

Weiteres Konzert am 7. 3., Gebäude 9, Köln

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