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Wohin zur Berlinale?

Heute beginnen die 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Sie widmen dem US-amerikanischen Film- und Theaterschauspieler Willem Dafoe eine Hommage und sind wieder in ausgesuchten Programmkinos zu Gast. Unsere Filmexpert*innen geben einige Empfehlungen

„Dovlatov“ (Wettbewerb)

Rechtsextreme, die bessere Beziehungen zu Russland fordern, ein amerikanischer Präsident, der eine Mauer bauen will: Was 1990 als Satire gegolten hätte, bestimmt heute die Nachrichten. Der sowjetische Schriftsteller Sergei Dovlatov hätte für diese Ironie was übrig gehabt, war sein Auge doch geschult an den Absurditäten des sowjetischen wie auch des amerikanischen Alltags. 1979 aus dem Land emigriert, in dem seine Werke nicht gedruckt wurden, starb er 1990 in New York. Heute ist er in den USA vergessen, aber in Russland ein Kultautor. Alexey German Jr. widmet ihm ein Biopic, zugleich eine Hommage an die sowjetische „Küchenintelligenzija“, jenes mit der SU untergegangene Milieu eifriger Diskutanten, in dem mit viel Alkohol die Menschheit oder zumindest die russische Literatur gerettet wurde – wenn sie nur hätten veröffentlichen dürfen! (17. 2., 15 Uhr, Berlinale Palast; 18. 2., 9.30 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 18. 2., 21.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele; 18. 2., 22.30 Uhr, International; 25. 2., 17.15, Friedrichstadt-Palast) Barbara Schweizerhof

„Grass“ (Forum)

Der vierte Film Hong Sang-soos in zwei Jahren, mit 66 Minuten ist er sehr kurz. Wieder mit seiner Lebensgefährtin Kim Min-hee als Hauptdarstellerin. Diesmal schwarz-weiß. Der Trailer verrät: Alles wie immer bei diesem Regisseur, der immer den gleichen Film jedes Mal wieder anders dreht. Frau im Café. Um Lebende geht es und um Tote. Es wird Trunkenheit geben, Gespräche zwischen Männern und Frauen, bei denen die Wörter und Sätze ins Torkeln geraten. Und Irritationen der Form wird es geben, die einen dazu auffordern, den Augen nicht ganz zu trauen und nicht dem gesunden Menschenverstand. Und es wird die geben, die es abgöttisch lieben. Und die anderen, die nicht verstehen, was das alles soll (16. 2., 21.30 Uhr, Delphi Filmpalast; 17. 2., 22 Uhr, CineStar 8; 18. 2., 20 Uhr, Cubix 9; 25. 2., 12 Uhr CineStar 8). Ekkehard Knörer

„Khook“ (Wettbewerb)

Vor zwei Jahren zeigte der iranische Regisseur Mani Haghighi mit „A Dragon Arrives“, dass iranisches Kino längst mehr ist als realistisches Gegenwartskino. Er war ein knallbunter Blick zurück in die Zeit vor der islamischen Revolution 1979, in ein Geflecht mysteriöser Ereignisse und Geheimdienstaktivitäten zwischen Lebensfreude und Paranoia. Nun ist Haghighi zurück mit seinem neuen Film „Khook“ (Foto Seite 1). Er handelt von der gekränkten Eitelkeit eines Regisseurs, der es einem Serienkiller, der in Teheran und Umgebung Filmschaffende ermordet, übel nimmt, von ihm übergangen zu werden. Steht zu hoffen, dass sich auch in diesem Film Absurdität und verschrobenes Gesellschaftsporträt die Waage halten und er einen weiteren Beleg dafür liefert, dass das iranische Kino zu den derzeit aufregendsten Filmkulturen der Welt gehört (21. 2., 19 Uhr, Berlinale Palast; 22. 2., 13.30 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 22. 2., 18.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, 22. 2. 22.30 Uhr, International; 25. 2., 20 Uhr, Friedrichstadt-Palast).Fabian Tietke

„Land“ (Panorama)

Der Regisseur Babak Jalali wurde im Iran geboren und wuchs in England auf, wo er auch Film studierte. Heute lebt er zwischen London, Paris und Rom. Zu seiner kosmopolitischen Orientierung passt, dass sein jüngster Spielfilm, „Land“, eine italienisch-französisch-holländische Koproduktion ist. Und in einem Reservat in New Mexico in den USA spielt, mit indigenen Protagonisten als Hauptfiguren. Die Familie in dieser Geschichte organisiert ihr Leben rund um den Kampf um soziale Anerkennung und Routinen des Alkoholismus. Eine Zäsur bringt der Tod eines Sohns, der als Soldat in Afghanistan fällt. Was Fragen der nationalen Zugehörigkeit nach sich zieht (18. 2., 19.30 Uhr, Cinemaxx 7; 19. 2., 22.45 Uhr, Cinestar 3; 20. 2., 19.45 Uhr, Cubix 7; 22. 2., 14 Uhr, Cubix 9; 24. 2., 19 Uhr, Zoo Palast). Tim Caspar Boehme

„Leben und Sterben in L. A“ (Hommage)

Welchen der zehn Filme, mit denen Willem Dafoe in diesen Tagen mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk geehrt wird, man für den besten hält, ist Geschmackssache. Manches spricht jedoch für „Leben und Sterben in L. A.“, bei dem Dafoe 1985 seine erste große Hauptrolle spielte. Unter der Regie von „French Connection“- und „Der Exorzist“-Regisseur William Friedkin gibt Dafoe wie so oft einen Antihelden, den Geldfälscher Eric Masters, der künstlerische Ambitionen hat und sich auf ein Duell mit dem FBI-Agenten Richard Chance einlässt. Das alles in typischer 80er Jahre Ästhetik voller Fönfrisuren und Ballonjacken, von Wenders’und Jarmuschs Stammkameramann Robby Müller in flirrende Farben getaucht und unterlegt mit der New-Wave-Musik von Wang Chung (16. 2., 19 Uhr, Zeughauskino; 23. 2., 21.30 Uhr, CinemaxX 8). Michael Meyns

„SPK Komplex“ (Forum)

Gerd Kroske ist ein prima Dokumentarfilmregisseur. Letzten Monat ist er 60 geworden. Er hat 21 Filme realisiert. Darunter die zwischen 1990 und 2006 in Leipzig entstandene „Kehraus-Trilogie“, die von Straßenkehrern handelt, und die „Hamburger Trilogie“ mit tollen Helden wie dem „Prinz von Hamburg“ genannten Boxer und dem großartigen Komiker Heino Jäger. Sein neuer Film, „SPK Komplex“, erzählt vom antipsychiatrischen „Sozialistischen Patientenkollektiv“, das 1970 in Heidelberg als selbstorganisiertes, gruppentherapeutisches Experiment des Arztes Wolfgang Huber mit Psychiatriepatienten begann. Man fand heraus: Der Kapitalismus macht krank; nun ging es darum, die Krankheit zur Waffe zu machen. Einige Mitglieder des „SPK“ gingen zur RAF (18. 2., 16.30 Uhr, Akademie der Künste; 19. 2., 11 Uhr, CineStar 8; 23. 2., 18.30, Delphi Filmpalast; 25. 2.,17 Uhr, Kino Arsenal).Detlef Kuhlbrodt

„Waldheims Walzer“ (Forum)

1986 wusste man vielleicht noch nicht, was „alternative Fakten“ sind. Aber man ahnte doch, dass das Waldheim-Porträt neben dem Jesuskreuz im Klassenzimmer eine irgendwie unheimliche Mischung war. Nein, er wusste von nichts. Nur sein Pferd war ja bei der SA, nicht er. Und so wurde Kurt Waldheim, naturgemäß, österreichischer Bundespräsident. Denn das Volk wählte, was ihm seine Partei empfahl – „Jetzt erst recht!“. Ruth Beckermann war immer schon eine filmische Tiefbohrerin, damals aber zudem Kamerafrontfrau jener Aktivist*innen, die gegen Waldheim und damit gegen die Geschichtslüge, gegen den Antisemitismus und gegen jenes politische Milieu ankämpften, das heute schaurig-fröhliche „Urständ“ feiert (17. 2., 19 Uhr, Delphi Filmpalast; 18. 2., 13.45 Uhr, CineStar 8; 20. 2., 12.30 Uhr, Kino Arsenal; 24. 2., 14 Uhr, Akademie der Künste). Barbara Wurm

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