: Aufreizend selbstverständlich
Etliche Disziplinen werden seit Jahren mit fast schon irritierender Zuverlässigkeit von denselben gewonnen. Die niederländischen Eisschnellläufer, allen voran Sven Kramer, sind ein Paradebeispiel
Aus Gangneung Florian Haupt
Schon auf dem Weg zur Eislaufhalle wird es oranje. Wie Ufos aus einer fernen Galaxie scheinen sie in der nüchternen Hochhauskulisse der Olympiastadt am Meer gelandet zu sein: Orange Jacken, orange Perücken. Und spätestens wenn in der Pause zwischen den beiden Startgruppen auch 8.500 Kilometer östlich von Heerenveen die „Pretband Klentje Pels“ in Clogs den Innenraum betritt und mit ihren Blasinstrumenten zur Tat schreitet, dann weiß man: Alles ist im Lot. Es wird sein wie immer.
Eisschnelllauf ist ein Sport auf Kufen – und am Ende gewinnen die Holländer.
Schon zum Auftakt am Vortag gab es einen Dreifachsieg bei den Frauen über 3.000 Meter, und jetzt, über die 5.000 Meter der Männer, kommt er, Sven Kramer: „Der beste Eisschnellläufer aller Zeiten“, wie sein deutscher Renngegner Patrick Beckert später sagen wird. Präzise wie ein Chirurg sein Messer setzt der 31-Jährige seine Kufen und seziert die Vorgaben der Konkurrenz. Schritt für Schritt, Runde für Runde. Unbeeindruckt von einem frühen Rückstand, den er nach und nach verkleinert. Als er nach 3.400 Metern erstmals die Führung übernimmt und Beckert ihn längst nur noch als Silhouette wahrnimmt, ist das Rennen gelaufen. 1,85 Sekunden Vorsprung sind es am Ende – den Zweiten und Dritten hingegen, den nach Kanada ausgewanderten Niederländer Ted-Jan Bloemen und den Norweger Sverre Lunde Pedersen, trennt nicht mal eine Hundertstel.
Nicht Kramers Problem. Nicht seine Liga. Nach der Zieleinfahrt reckt er die kurz den Arm und macht das Victory-Zeichen. Er ist jetzt nicht nur der Rekordtitelhalter bei Mehrkampf-Weltmeisterschaften (neun), ungeschlagen seit 2006 im mythischen Traditionswettbewerb. Nicht nur der Läufer mit den meisten WM-Titeln auf den Einzelstrecken (19). Er ist jetzt auch der erste Mann, der dreimal in Folge auf derselben Strecke olympisches Gold gewinnt. Und mit acht Medaillen der meistdekorierte Eisschnellläufer der Geschichte.
Dauersieger Kramer
„Wie soll ich es sagen“, sagt er dazu wenig später, „aber ich bin deshalb nicht groß erfreut. Es ist ein schöner Fakt, aber ich schaue schon auf das nächste Rennen.“ Daraus spricht die aufreizende Selbstverständlichkeit eines Dauerchampions, der eben auch deshalb Dauerchampion ist, weil er sich nie zufrieden gibt. Andererseits sind das nächste Rennen die 10.000 Meter, seine Obsession. Dort ist er noch ohne Gold. 2010 lief er tragischerweise in der letzten Kurve auf die falsche Bahn, 2014 wurde er überraschend geschlagen. Von Jorrit Bergsma. Einem Niederländer.
Die holländische Dominanz ist bemerkenswert, aber noch bemerkenswerter ist, dass sie im Wintersport kein Einzelphänomen ist. Etliche Disziplinen werden seit Jahren mit fast schon irritierender Zuverlässigkeit von denselben beherrscht. Im Slopestyle gewann am Sonntag der erst 17-jährige Amerikaner Redmond Gerrard – seit die Disziplin olympisch ist, haben auf dem Schanzenparcours nur die USA gesiegt. Derweil die ersten sechs Langlaufmedaillen der Spiele allesamt an die Skandinavier gingen, wobei die Norwegerin Marit Björgen zur erfolgreichsten Winterolympionikin aller Zeiten aufstieg. Selbstredend gewannen die Koreaner zu Hause das erste Gold im Lieblingssport Shorttrack.
Derweil die Deutschen mit den Olympiasiegen von Laura Dahlmeier und Arnd Peiffer die 2014 kurz abgegebene Biathlon-Hoheit zurückeroberten. Die sensationelle Niederlage im Rodeln, wo Felix Loch wenige Kurven von seinem vierten Gold entfernt patzte? Ausnahmen bestätigen die Regel. Eigentlich ist Rodeln ein Paradebeispiel dafür, dass es im Wintersport trotz aller Expansionsbestrebungen des IOC oft noch an einer breiten Spitze fehlt. Vier Bahnen in Deutschland und überlegene Ressourcen beim Material – gerade in einer Randsportart mag da keine andere Nation mitziehen. Je professionalisierter und damit kostenintensiver der olympische Sport wird, desto mehr stärkt das den Trend, sich auf das zu konzentrieren, was man eh schon kann. Da es gleichzeitig immer mehr Unterdisziplinen gibt – in Pyeongchang erstmals über 100 Wettbewerbe –, mehrt sich die Medaillenzahl auch ohne teures Investment in neue Strukturen.
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