wortwechsel: Unsere Sozialpolitik ist eine Brutalpolitik
Unser System der Altenpflege macht auch die PflegerInnen krank, Rüstungsgeschäfte zerstören jedes soziale Leben, und echte Sozialpolitik muss man mit der Lupe suchen
Altenpflege zum Weinen
„Enttäuschung über Pflege-Deal“,
taz vom 1. 2. 18
Zurzeit befinde ich mich in einer Rehabilitationsklinik für Menschen mit kardiologischen und orthopädischen Erkrankungen. Zur Behandlung gehören auch Vorträge in Kleingruppen zum Thema Stressbewältigung bei einem Psychologen. Nach den ersten beiden Stunden haben sich zwei Altenpflegerinnen zu Wort gemeldet: Die eine ist beim Erzählen von ihrem Arbeitsalltag in Tränen ausgebrochen, die andere berichtete in einem Wortschwall frustriert, zornig und resigniert von ihren Arbeitsbedingungen; beide taten mir unendlich leid! Ich selbst bin Krankenschwester und somit im Vergleich, meiner Meinung nach, in einer etwas besseren Situation. Allerdings habe ich seit Jahren meine Stelle reduziert. Altersarmut wird also wohl leider auch für mich ein Thema werden.
Die Lösung wäre, uns (wesentlich) mehr Gehalt zu geben, damit wir uns Teilzeitarbeit ohne Angst zu verarmen leisten könnten, denn Vollzeit in der Pflege ist selten gesund bis zur Rente durchzuhalten. Der angenehme Nebeneffekt wäre: Es würden sich viel mehr Leute für den Beruf entscheiden und auch im Berufsleben bleiben. Es ist jedoch so, dass die meisten zurzeit in den ersten drei Jahre aussteigen. Name ist der Redaktion bekannt
Luftverschmutzung
„Abgas aus Germania“, taz vom 31. 1. 18
Liebe taz-Leute, die Abgasversuche der Autoindustrie an Mensch und Tier beweisen nur mein langjähriges Wissen, dass Diesel- und andere Abgase gesundheitsfördernd und lebensverlängernd wirken.
Zum Beweis: Wurden die Menschen zu Zeiten „sauberer“ Luft, also um 1900, gerade mal 55 Jahre alt, so stieg das Durchschnittsalter kontinuierlich zur Luftverschmutzung auf heute 80 Jahre. Diese Tatsache findet ihre Erklärung darin, dass die in „normaler“ Luft massenhaft vorhandenen und krankmachenden Keime und Bakterien von der Hitze der Automotoren zu 100 Prozent abgetötet werden. Also verringert die keimfreie Abluft der vielen Tausend Autos die Keimbelastung der Stadtluft ganz erheblich. Logischerweise sinkt damit auch das Risiko, krank zu werden.
Ich nehme aber an, dass ihr taz-Leute Anhänger der herrschenden Theorie von der Schädlichkeit der Autoabgase seid und schlage deshalb einen Selbstversuch vor: Die gesamte taz-Redaktion begibt sich über ein Wochenende in ein Gebiet mit „sauberer“ Luft. Nach drei Tagen, wieder zurück in Berlin, wird sich bei einigen ihrer Leute ein Schnupfen oder eine Grippe entwickelt haben.
Die Annahme aber, dass die Stadtluft dafür ursächlich ist, ist falsch. Sie werden vielmehr feststellen, dass nach einer Woche „krankmachender“ Stadtluft alle einschlägigen Symptome verschwunden sind und ihre Leute wieder stundenlang am Stück arbeiten können. Also: Stadtluft macht nicht nur frei, sondern auch gesund!
P.S. Dieser Leserbrief wurde nicht von der Autoindustrie gesponsert!
Hans Georg Münchow, Frankfurt am Main
Redet mit der PKK
„Linke und Kurden kritisieren Demo-Ende“, taz vom 29. 1. 18
Das muss möglich sein, dass Kurden auch bei uns für ihre Rechte auf die Straße gehen.
In der Türkei hat Staatschef Erdogan diese große Volksgruppe zu seinem Feindbild erhoben – es werden schon so lange Dörfer und Städte in kurdischen Regionen in der Türkei besetzt, zum Teil auch zerstört, legitim gewählte kurdische Bürgermeister/innen durch linientreue AKP-Vertreter ersetzt. Erdoğan hat einen Wahn gegen eine Volksgruppe mit immer demselben stumpfen Pauschalargument der Unterstützung von Terrorismus.
Ich habe zu wenig Einsicht in die Strukturen einer Initiative wie der kurdischen PKK. Da wird auch nicht alles „mit rechten Dingen“ zugehen. Aber ich kann die PKK verstehen, wenn sie gegen das Regime Erdoğan aufbegehrt und mit denselben Waffen zurückschlägt, die Erdoğan mit seinem Militärapparat einsetzt. Da sehe ich die PKK als Freiheitskämpfer mit ganz legitimen Interessen gegenüber einem Unrechtssystem.
Die EU sollte hier umdenken und mit der PKK ins Gespräch kommen, statt Leuten vom Schlage eines Erdoğan „auf den Leim zu gehen“. Nationalistische AKP-Türken gehen hier für einen Diktator auf die Straße – wir sollten auf jeden Fall erst recht auch gegenüber den Kurden und ihre legitimen Interessen tolerant sein.
Sven Jösting, Hamburg
Doppeltes Spiel
„Finger weg von Rüstungsgeschäften“, taz vom 26. 1. 18
Wir erinnern uns: Im syrischen Bürgerkrieg hatten wir Angst, den Aufständischen Waffen zu liefern, weil die am Ende in die falschen Hände hätten kommen können. Wie gut, dass unsere Panzer in den richtigen Händen blieben …
Raimund Poppinga, Hannover
Heilige Globuli
„Die angefeindete Homöopathie“, Leserbrief in der taz vom 31. 1. 18
Es ist ja nicht nur der ignorante Journalismus, der einen angesichts der Tatsache, dass eine Substanz umso besser wirkt, je weniger von ihr in den Globuli enthalten ist, Tränen vergießen lässt. Jedem mit gesundem Menschenverstand ist doch klar, dass gegen Durchfall Aktivkohle in Konzentration von ein bis zwei Atomen pro Pille hervorragend wirkt. Nein, es ist noch viel schlimmer. In den Schulen wird die Kugelgestalt der Erde gelehrt, obwohl eine Volksabstimmung über die letzten 10.000 Jahre eindeutig die Scheibe belegt. Es wird ein platter Darwinismus unterrichtet, ohne die schriftlich sogar in zwei unterschiedlichen Varianten belegte göttliche Schöpfung auch nur zu erwähnen. Wohin so etwas führt, sieht man an der zwar langsam sinkenden, aber immer noch zu großen Zahl an verblendeten Menschen, die, ohne den Mondkalender zu befragen, zum Friseur gehen. Erich Roth, Grimma
Echte Sozialpolitik, bitte
„Ins Herz der Linkspartei“,
taz vom 31. 1. 18
Der Kommentar springt zu kurz und stellt mal wieder einen Versuch dar, die Linkspartei in eine bestimmte Ecke zu drängen. Die neue „sozialpolitische Linie“ der AfD war schon im Wahlkampf 2016 zu sehen. Die AfD plakatierte damals schon mit Themen zu Rente und Mindestlohn. Dieser neue Weg zu mehr Akzeptanz trifft nicht nur die Linkspartei ins Herz, sondern auch alle Parteien von CSU über CDU, FDP, Grüne und SPD, denn sie haben – insbesondere die SPD – durch die in den vergangenen Jahren konsequente Vernachlässigung der existentiellen Sorgen der „einfachen Leute“ und Bevorzugung der bürgerlichen Mitte und der Wohlhabenden den Weg freigemacht für die AfD, die Themen Altersarmut, Mindestlohn, Befristungen et cetera für sich zu reklamieren.
Die SPD müsste mit guten Konzepten bezüglich Rente und Krankenversicherung wie auch Erbschafts- und Vermögenssteuer antreten, dann würde man der AfD schnell das Wasser abgraben. Allerdings nur, wenn das nicht von SPDlern verkündet wird, die für die bisherige Politik verantwortlich sind. Gleiches gilt für die Linke, von der man auch solche Konzepte erwarten sollte.
Friedrich-Karl Beckmann, Pinneberg
Linke Strömungen
„Zu kritisch für Wagenknartsch“,
taz vom 30. 1. 18
Warum liest man eigentlich in schöner Regelmäßigkeit Angriffe mit Sprüchen in Richtung von Sahra Wagenknecht? Frau Wagenknecht ist nicht umsonst zurzeit eine der bekanntesten PolitikerInnen der Linkspartei. Wenn es zu diesem Ausschluss gekommen sein sollte, dann ist das natürlich skeptisch zu sehen! Aber ich glaube, dass damit versucht wird, von außen weiter Unruhe zu bringen. Was damit bezweckt wird, ist mir schleierhaft. Die Linke besteht nun mal aus mehreren Strömungen und das ist auch gut so!
René Osselmann, Magdeburg
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