berliner szenen: Wie angenehm doch Pyjamas sind
Als ich zurückkam, hatte ich geguckt, ob das Waisen-Buch („Als wir Waisen waren“) von Kazuo Ishiguro in der Amerika-Gedenkbibliothek gerade verfügbar sei, aber alle Ishiguro-Bücher, die mich interessierten, waren verliehen. Ich hatte noch ein bisschen rumgeguckt und mir dann das Buch als E-Book gekauft – die englische Version –, weil ich es zu Ende lesen wollte.
Ich hatte in dem Buch in Lübeck bei meinem Weihnachtsbesuch gelesen. J. hatte es meiner Schwester geschenkt. Ich hatte es ganz gut und spannend gefunden, auch wenn es an Ishiguros „Alles, was wir geben mussten“ nicht heranreicht.
Und nun war es ganz schön, es hier in Berlin zu Ende zu lesen und dabei Kaffee zu trinken. Manchmal tat mir der E-Book-Reader fast leid, weil ich ihn so selten verwende, und wenn ich eine Vokabel nachschaute, hatte ich das Gefühl, dem Gerät etwas Gutes zu tun.
In Lübeck war es so angenehm und still gewesen. Manchmal saßen wir zu fünft in der Wohnstube und jeder hatte gelesen. Vier Bücher und eine Zeitung am Tisch.
Und wieder in Berlin las ich nun weiter in dem Waisen-Buch des Nobelpreisträgers, im Schlafanzug, den mir meine Nichte geschenkt hatte. Sie hatte sich gefreut, dass ich mich gefreut hatte. Ich hatte ganz vergessen, wie angenehm Pyjamas sind.
Die Beschreibung, wie der Held zwischen den Fronten im Krieg der Japaner gegen die Chinesen in Schanghai durch zerstörte slumartige Dschungel mit seinem Führer geht und später noch seinen Kinderfreund Akira trifft, der auf Seiten der Japaner kämpft und schwer verletzt ihm dann den Weg weist … das hat manchmal was vom Herrn der Ringe. Und ist im Verhältnis zu den anderen Teilen des Buchs viel zu lang.
Das Tempo wird immer langsamer, und dazwischen noch eine Bemerkung über Waisen, die dann alles wieder so symbolisch macht … egal. Detlef Kuhlbrodt
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