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Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnPimmelwitzchen im Kunstbunker

Foto: kms

Wirklich verrückt an den Kassierern ist, dass sich niemand so richtig dafür schämt, sie zu mögen. Gründe gäb’s ja genug: „Ich fick dich durch die ganze Wohnung“ zum Beispiel, oder im Grunde auch alle anderen Songs der Band: von „Außerirdischer, wo befindet sich dein After?“ bis zum Klassiker „Blumenkohl am Pillemann“. Seit mehr als 30 Jahren ziehen die Wattenscheider Deutschpunks durch das Land und provozieren – ohne dass sich irgendjemand ernsthaft daran stören würde.

Da ist so ein Kunst-Nimbus, mit dem sich das Ganze umgibt. Mit ihrem Coveralbum „Taubenvergiften“ haben sich Die Kassierer clever und anmaßend zugleich in die Tradition Georg Kreislers gestellt, vorher schon haben unterhalb der Fäkaltexte musikalische Genre­parodien mit Technogestampfe oder Big-Band-Einsatz zumindest den Verdacht genähert, dass es da irgendwie um mehr gehen müsse. Bei der Verhandlung um eine mögliche Indizierung des Albums „Habe Brille“ soll angeblich selbst das Entscheidungsgremium lauthals gelacht und sich so in der Praxis vom satirischen Wert der Sache überzeugt haben.

In Olaf Ballnus’zauberhafte Kassierer-Dokumentation „Punk im Alter“ sagt Bandchef Wolfgang Wendland (seinerzeit Kanzlerkandidat der APPD), man könne fast den Eindruck gewinnen, Die Kassierer seien heute der einzige „gesellschaftliche Grundkonsens in Deutschland“. Ein Witz, klar. Aber ganz falsch ist es trotzdem nicht. Auf Kassierer-Konzerten drängeln sich wissend lächelnde Kulturschnösel zwischen feixende Rohlinge, die eine eher bodenständige Freude zum Ausdruck bringen, wenn es von der Bühne trällert: „Ich bin Frauenarzt, weil ich Fotzenfan bin.“ Das sind Momente dumpfer Befreiung, die einen nicht kalt lassen können. Sexistisch ist das natürlich und ekelhaft, relativiert durch: rein gar nichts. Aber Kunst muss es schon deshalb sein, weil alles andere ja unerträglich wäre. Und wie gesagt: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften soll ja gelacht haben.

Die Kassierer spielen am Freitag, 19. 1., um 20 Uhr

im Aladin

Dass man die schlichte Wahrheit gar nicht aussprechen lässt, ohne am Ende selbst als prüder Banause dazustehen – das macht die eigentliche Faszination dieser Band aus. Sie hat sich immunisiert, im Kunstbunker verschanzt und lässt einen vor der Bühne hilflos zurück. Und wer dagegen ist, der hat verloren.

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