: Aus dem Darm der Schleichkatze
HEISSGETRÄNK Der Kaffee steht für vieles und muss für vieles herhalten. An der Art der Zubereitung lassen sich kulturelle Unterschiede und individuelle Vorlieben ablesen
■ Die sechs größten deutschen Kaffeeröstereien sind: 1. Tchibo, 2. Jacobs, 3. Dallmeyer, 4. Darboven, 5. Melitta, 6. Aldi. Sie beherrschen zusammen 85 Prozent des Marktes.
■ Jeder Deutsche trank 2011 im Schnitt 149 Liter Kaffee, 135 Liter Wasser und 107 Liter Bier. Das macht 3,1 Tassen Kaffee pro Tag. Spitzenreiter in Europa sind die Finnen mit 3,6 Tassen am Tag.
■ Der deutsche Fiskus nimmt durch die Kaffeesteuer rund eine Milliarde Euro im Jahr ein.
VON NIELS HOLSTEN
Der Kaffee ist Symbol für die Ausbeutung der Sklaven in den lateinamerikanischen und karibischen Plantagen des 18. und 19. Jahrhunderts – und eines bis heute ungerechten Welthandels. Der Kaffee steht aber auch für Genuss, Kultur und Lifestyle. Kulturelle Unterschiede und individuelle Vorlieben lassen sich an der Art der Zubereitung ablesen.
Dabei begann alles mit einem Missverständnis. Der Sage nach beobachtete im 9. Jahrhundert in der Region Kaffa im Südwesten des heutigen Äthiopiens ein Viehhirte seltsame Veränderungen an seinen Tieren, wenn sie von einer bestimmten Frucht fraßen. Dadurch neugierig geworden, probierte er davon und warf sie angewidert ins Feuer. Dort entfaltete sich dann aber ein nie erahnter Wohlgeruch – die Röstung war erfunden, der Eroberung der Welt stand nichts mehr im Wege.
Seit der ersten Feuerröstung hat sich allerdings einiges getan in Sachen Qualitätsverbesserung. Dauer und Temperatur der Röstung entscheiden über das Aroma – und natürlich die Qualität der Bohne.
Die gibt es zwar auch in etlichen Sorten, aber nur zwei teilen sich 96 Prozent des Weltmarktes – der koffeinärmere Arabica (60 Prozent) und der Robusta (36 Prozent). Als teuerste Sorte, weil umständlich in der Erzeugung und damit wenig ertragreich, gilt der indonesische Kopi Luwak. Diese entsteht, wenn heimische Schleichkatzen Kaffeekirschen fressen, die Bohnen im Darm fermentieren, sie dadurch geschmacklich verändern und dann wieder ausscheiden.
In Deutschland teilen sich sechs Großröstereien 85 Prozent des Geschäfts. Der Rest verteilt sich auf kleinere Röstereien, die oft in eigenen Lokalen ihren Kaffee ausschenken. Dort kann man über die Vielfalt der Zubereitung staunen. Wie hätten Sie’s gern? Eher französisch im Direktaufguss, oder besser deutsch mit Filter oder unter Druck wie in Italien? Und wenn unter Druck, dann in einer Espressokanne oder -maschine? Trotz der neu ausgebrochenen Kaffeevielfalt: 80 Prozent des Kaffees werden in Deutschland immer noch durch den Filter gegossen.
Alles Geschmackssache, es sei denn, der Magen oder das Herz spielen nicht mit. Im Kaffee enthaltene Säure und Bitterstoffe können den Magen reizen und übermäßiger Koffeinkonsum ist eine Belastung für das Herz-Kreislauf- und Nervensystem. Bitterstoffe können durch die Art der Zubereitung reduziert werden. So werden zum Beispiel durch die höheren Temperaturen und den niedrigeren Druck in der Espressokanne mehr Bitterstoffe ausgeschwemmt als durch die Espressomaschine. Durch Milch im Kaffee wird die Säurewirkung abgeschwächt und das Koffein langsamer vom Körper aufgenommen.
Ob der Kaffee eine gesundheitsförderliche oder -schädliche Wirkung hat, ist nach wie vor umstritten. Nach einer aktuellen Studie des amerikanischen National Institut of Health leben Kaffeetrinker im Schnitt kürzer. Sie leben aber auch insgesamt ungesünder, treiben zum Beispiel weniger Sport, rauchen häufiger und trinken mehr Alkohol. Als die Forscher diese Nebenfaktoren herrausrechneten, ergab sich ein gegenteiliges Bild: Kaffeetrinker hatten demnach ein geringeres Risiko, während des Forschungszeitraums zu sterben, als Nicht-Kaffeetrinker.