berliner szenen: Jetzt sind alle hier Ideengeber
Ein Ideengeber bitte in die Gartenwelt! Ein Ideengeber bitte in die Gartenwelt.“ Ich stehe leider in der Bäderwelt, weil ich eine Dichtung für meinen Badewannenabfluss brauche. Noch bevor ich die kryptische Durchsage aus den Deckenlautsprechern des Schöneberger Hellweg-Baumarkts dekodiert habe, geht es wieder los: „Ein Ideengeber bitte in die Holzabteilung. Ein …“
Nur bei Dichtungen keine neuen Ideen. Ein Mann im rotweißen Kittel könnte mich jetzt sicherlich kreativ beraten: „Soll’s die 32 oder die 36 Millimeter sein? Vielleicht denken Sie mal über’ne neue Badewanne nach?“ Stattdessen scharwenzelt ein Typ ohne Baumarkttracht um mich rum, ob ich das kleine Dichtungstütchen in meiner Jackentasche verschwinden lasse. Er heißt hier wahrscheinlich nicht Ladendetektiv, sondern „Gedankenleser“.
Ich liebe Baumärkte und kaufe dort oft Zeugs, das ich gar nicht brauche. Bunte Kanister mit Kühlflüssigkeit oder immer mehr Bauhandschuhe. Ich streife vorbei an Speichenreflektoren, rüber zu den Zollstöcken. Aus Spaß vermesse ich meinen Dichtungsring und stelle zufrieden fest, dass er tatsächlich die auf der Packung angegebene Breite hat. Der Gedankenleser taucht wieder auf, extra für ihn halte ich das Tütchen jetzt ein wenig in die Höhe, damit er sich keine Sorgen mehr macht. Dann wieder eine Durchsage: „Ein Leistungsträger bitte in die Bäderwelt. Ein Leistungsträger bitte …“
Jetzt wird es mir echt zu viel, rasch gehe ich Richtung der Glühweinflaschen, die neben Billigschraubenziehern vor der Kasse auf Spontankäufer lauern. Die Frau in Rotweiß nimmt mein Tütchen, ich krame meine 2 Euro raus, und dann sehe ich ihr aufgenähtes Schildchen: „Ideengeber“. Sie sind also auch Ideengeber, murmle ich verschwörerisch Richtung Kasse. „Wir sind jetzt alle Ideengeber“, sagt sie ernst und scannt schon ein graues Plastikrohr des nächsten Kunden. Andreas Becker
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen