: Am Ende gut
Bestsellerautor Daniel Kehlmann fürs Theater aufbereitet – und das mit knappen Ressourcen: „Ruhm“ in Hamburg
Von Daniel Trommer
Leo Richter ist nicht auszuhalten. Der Schriftsteller ist auf Lesereise in Mittelamerika und klagt ununterbrochen über alles, vor allem über die Leser. Er hat Angst, seinen Flug zu verpassen, obwohl er direkt neben dem Gate sitzt, und wittert in jedem Erlebnis und jedem Menschen das Potenzial für eine Geschichte. Gut ist er aber vor allem auf der Bühne, im Bett und als „Autor vertrackter Kurzgeschichten voller Spiegelungen und unerwarteter Volten von einer leicht sterilen Brillanz“.
So beschreibt ihn Daniel Kehlmann in „Ruhm. Ein Roman in neun Geschichten“ (2009) – und es bleibt dem Leser überlassen, wie viel davon er auf Kehlmann zurückübertragen will. Die neun Kurzgeschichten voller skurriler Charaktere erzählen etwa von der Last des Berühmtseins, sei’s in einem langweiligen Kommunikationsunternehmen oder in einem fernen, seltsamen Land im Osten. Und von Versuchen, sich selbst los zu werden.
Doch wie will man solches Spiel eines Autors mit seinen Lesern in neun so unterschiedlichen Geschichten und nur dünner Rahmenerzählung auf die Bühne bringen? Dieser Herausforderung hat sich das Hamburger Theater im Zimmer gestellt. Das wurde eigentlich vor 17 Jahren geschlossen – und im vergangenen Jahr, nach aufwendigen Renovierungsarbeiten, wieder eröffnet. Und die erste Spielzeiteröffnung dieser neuen Zeitrechnung nun beging man mit der deutschen Erstaufführung von „Ruhm“.
Die Bühnenfassung stammt von Erik Schäffler, der selbst Regie führt und auch noch mitspielt. Ja, die Mittel sind knapp bei diesem Projekt. Im „Zimmer“ nun steht die Bühne in der Mitte, das Publikum sitzt rechts und links davon. Das karge Bühnenbild – zunächst nur vier Stühle und zwei graue Wände – erklärt sich vielleicht aus den vielen zu bereisenden Ländern, aber vielleicht auch noch mehr aus Budget und Platz.
Der Beginn ist dann eher schleppend: Die ersten beiden Erzählungen werden nacherzählt, überwiegend textgetreu. Als man sich aber gerade auf einen langweiligen Abend eingestellt hat, nimmt das Stück plötzlich Fahrt auf: Eine Hälfte des Publikums wird zur Reisegesellschaft erklärt und verlässt den Raum – gen seltsames Land im Osten. Der Rest bleibt und erlebt mit, wie Rosalie von Leo Richter in die Schweiz geschickt wird, um zu sterben. Ein Kniff, der in der anschließenden Spielpause viel Gesprächsstoff bietet, aber natürlich auch manchen daran leiden lässt, eine favorisierte Kehlmann-Geschichte verpasst zu haben.
Nach der Pause wird der Einsatz der theatralen Mittel vielfältiger, das Spiel mit den Erzählebenen gewinnt durch die Personalisierung des in manchen der Geschichten nur als Autor auftretenden Leo Richter (gut: Robin Brosch) an Dynamik. Zum Ende hin hat sich Schäffler sogar noch ein paar von der Vorlage abweichende, wenn auch etwas arg dramatische Überraschungen ausgedacht. Anders als im Buch stößt die Adaption den Zuschauer mit der Nase auf die Verknüpfungen zwischen den Geschichten. Abgesehen davon aber stellt es sich als klug heraus, nah an Kehlmann zu bleiben und damit bei der Originalität seines Buches. Das kleine Theater hat eine ansehnliche erste Eigenproduktion auf die Bühne gebracht.
Weitere Termine: 3., 4., 16., 17. + 18. November
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