berliner szenen: Viel kaputt für wenig Geld, sagt Mutter
In einer Donnerstagnacht ist am Hermannplatz Pendelverkehr mit Bussen auf der U7. Ich gucke auf dem Handy nach meiner Verbindung, als mich ein Mädchen in holperigem Deutsch anspricht und fragt, ob ich auch nach Spandau müsse.
Ich nicke und zeige ihr die BVG-Seite: mit dem Bus bis Wittenbergplatz, dann umsteigen und bis Zoologischer Garten. Von da aus geht es weiter mit dem M45er.
Sie stöhnt und sagt, dass dies die erste Nacht seit drei Wochen sei, in der sie einmal mehr als vier Stunden schlafen könne – vorausgesetzt, dass sie jetzt schnell nach Hause käme.
Sie erzählt weiter, dass sie vor einem halben Jahr aus Warschau nach Berlin gekommen sei und seitdem tagsüber in einem Café in Spandau und nachts in einem Club in Neukölln arbeite. Sie endet mit den Worten: „Manchmal ohne Pause und ohne Essen 60 Stunden.“
Ich schüttele den Kopf und sage: „Das ist aber nicht gesund.“ Sie grinst: „Sagt Mutter auch. Sie sagt: ‚Komm zurück. Mach dich nicht viel kaputt für wenig Geld. Kannst du auch hier sein.‘“
Ich sehe sie fragend an: „Aber?“ Sie lacht: „Aber bin jung. Will nicht mein Leben in Polen sein. Habe Power, viel zu arbeiten und hier ein Leben zu machen.“
Nach einer Pause fragt sie, warum so viele Deutsche nicht arbeiten gingen. Ich zucke mit den Achseln: „Weil es nicht einfach ist, qualifizierte Arbeit zu finden, und einige nicht einsehen, wie du in der Gastronomie für 6 Euro zu arbeiten – unter dem gesetzlichen Mindestlohn.“
Sie lächelt: „Aber ist doch besser aus eigener Power als Amt.“
Wir müssen aussteigen und auf den nächsten Bus warten. Sie macht eine E-Zigarette an und erklärt: „Wenn ich Deutsch spreche, suche ich Arbeit für gutes Geld. Aber Lernen ist schwer. Keine Zeit. In dem Café nur Araber, in dem Club nur Türken.“ Sie zeigt mir Hörbücher auf ihrem Handy: „Für die U-Bahn. Einzige Chance. Aber mit Deutschen reden ist besser.“ Eva-Lena Lörzer
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