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Das Gedächtnis der Orte

Esoterik Als Maklerin hatte Sybille Klank oft mit problembehafteten Immobilien zu tun. Seit sie auf Geomantie umsattelte, versucht sie, solche Orte zu heilen

Sybille Klank Foto: privat

Von Petra Schellen

Wie eine Zauberin sieht sie gar nicht aus. Auch nicht wie ein Esoterik-Freak oder eine, die nur in den Wolken schwebt. Im Gegenteil: Wie eine ganz normale Geschäftsfrau sitzt die 31-jährige Geomantin Sybille Klank beim Lübecker Business-Treff. Jeden Dienstag teilt sie den Saal des schönen alten Berkentien-Hauses mit Inhabern von Hotels, Schokoladen-Manufakturen, Reinigungsfirmen, mit Maklern, Werbedesignern und Fotografen. Ein ganz normales Netzwerktreffen ist das, und schief angesehen wird Sybille Klank nicht. Man kennt sich eben.

Aber wenn sie turnusmäßig Vorträge über ihre Arbeit – etwa über die Aktivierung der Reichtums­ecke nach Feng Shui – hält, schaut schon mancher verwundert und weiß nicht, was er davon halten soll, dass jeder Raum Reichtums-, Gesundheits- und Erfolgsecken haben soll, die man mit Spiegeln und geschickt platziertem Mobiliar aktivieren kann.

Denn Sybille Klank ist Feng-Shui- und Geomantie-Beraterin, und damit haben Geschäftsleute oft erst dann etwas im Sinn, wenn es arg kriselt. Geomantie – das heißt wörtlich Erdwahrsagung und umfasst die Deutung von Grundrissen, das Auffinden von störenden Schwingungsfeldern. Ziel ist deren Bereinigung und „Heilung“.

Das klingt fremd und esoterisch. Dabei meinte der Begriff esoterisch ursprünglich nur, dass es ein nicht allen zugängliches Wissen war“, sagt Sybille Klank. Sie selbst hat beruflich eine 180-Grad-Wendung vollzogen, als sie vor einigen Jahren von der Immobilienwirtschaft zur Geomantie wechselte. Es sei zwar schön gewesen, von Immobilie zu Immobilie zu reisen und herumzukommen, erzählt sie, „aber irgendwann wollte ich nicht mehr nur die Probleme der Mieter anhören, sondern auch Lösungen finden.“

Also hat sie sich zur Geomantin ausbilden lassen, die Probleme jenseits des Sicht- und Tastbaren erspürt. Systematisch hat sie trainiert, wie man eine Wasserader findet: Man geht auf die Brücke eines Flusses und spürt, wie es sich anfühlt, wenn Wasser unter einem ist. Danach zurück auf die Wiese, den Unterschied spüren. „Irgendwann hat der Körper das gespeichert – so wie Sie sich jederzeit vorstellen können, wie sich Seide oder Baumwolle anfühlt“, sagt Sybille Klank.

Auch Erdverwerfungen – Orte, an denen Erdplatten aufgrund tektonischer Verschiebungen auseinandersprangen – fühlten sich besonders an. „Die gibt es zwar auch hier im Norden, aber zum Training geht man möglichst ins Gebirge, wo man diese Stellen anhand besonderer Felsformationen gut erkennt“, sagt die Geomantin.

Solche geologischen Formationen kann Sybille Klank nicht verändern oder bereinigen, „die sind einfach da“. Da hilft nur, das Bett von der Wasserader wegzuschieben, damit man besser und gesünder schläft. Etliche seien durchs jahrzehntelange Schlafen auf Wasseradern sogar krank geworden, sagt Sybille Klank. „Die österreichische Autorin und Rutengängerin Käthe Bachler hat herausgefunden, dass ein Großteil der Krebspatienten, mit denen sie zu tun hatte, auf solchen Störfeldern schlief.“

Auch bei ADHS-Kindern sei es einen Versuch wert, die Lage des Betts zu prüfen. „Aber natürlich ist Geomantie kein Allheilmittel, sondern nur eine Facette, eine mögliche Ursache“, sagt Sybille Klank.

„Um zu ergründen, welches Problem dieser Ort hat,versetze ich mich in einen meditativen Zustand und erhalte innere Bilder“

Sybille Klank

Oft kann sie aber auch konkrete Erfolge verbuchen, quasi messen, dass ihre Intervention geholfen hat. Wie bei jenem Kunden, der zu ihr kam, weil sein Geschäft trotz vieler Mühen seit Jahrzehnten schlecht lief. Sybille Klank fuhr hin und spürte, dass auf dem Grundstück in vorchristlicher Zeit ein Ritualplatz gewesen war. „Da hatten sich wohl Menschen zusammengefunden, um Naturgottheiten anzubeten oder Ähnliches. Hügelgräber, alte keltische Kultplätze, auch das britische Stonehenge zeugen noch von solchen Ritualen.

Solche prähistorischen religiösen Zeremonien seien an sich nichts Negatives, das heute stören müsste. Aber so ein Ritualplatz, sagt Klank, „war nur Eingeweihten zugänglich. Es war ein vor den Blicken anderer versteckter Schutzraum. Wenn man an solch einem Ort ein Ladenlokal hat, das Kunden anziehen und gesehen werden will, widerspricht sich das“, sagt Klank. Und anders als Wasseradern oder Erdverwerfungen kann sie so etwas neutralisieren.

Wie sie das spürt und auflöst, erzählt sie nur ungefähr, das ist tatsächlich für Eingeweihte. „Um zu ergründen, welches Problem dieser Ort hat, versetze ich mich in einen meditativen Zustand und erhalte innere Bilder.“ Wenn sie kommen – seien es die eines Ritualplatzes, eines Schlachtfelds, Friedhofs, Krankenlagers, Folterkellers, Mord-Ortes –, geht sie erneut in die Meditation, um diese Schwingungen zu neutralisieren.

„Die Erde“, sagt sie, „speichert jedes Ereignis, jede Emotion.“ „Und da Europa voll ist mit Geschichte, gibt es keinen Fleck, wo nicht irgendetwas passiert wäre. Natürlich nicht nur Negatives, aber hier geht es ja um problematische Orte.“ Dieser Erinnerungsspeicher funktioniere über Silizium-Verbindungen in der Erde.

Silizium wird auch in Computer-Chips als Speicher-Medium verwendet: Soweit ist die Erklärung also durchaus naturwissenschaftlich. Nur, dass es bislang kein wissenschaftlich anerkanntes Messgerät für die Schwingungen von Orten gibt. „Zwar können viele Menschen spüren, ob ihnen ein Ort angenehm ist oder nicht“, sagt Klank, aber viele könnten das nicht deuten. „Andere rationalisieren die Empfindung weg.“

Hinzu kommt, dass kaum jemand weiß, dass etliche Siedlungen auf ehemaligen Friedhöfen gebaut sind. Denn was früher außerhalb der Stadt lag und damit Friedhofsareal sein konnte, liegt heute mittendrin und ist längst überbaut.

So etwas müsse nicht schädlich sein. „Aber es kann durchaus sein, dass sich Menschen an solchen Orten diffus unwohl fühlen, gereizt oder krank werden, ohne zu wissen, warum“, sagt Sybille Klank.

Könnte einst einen alten Kraftort bezeichnet haben: rekonstruiertes Hügelgrab im Steinzeitpark Albersdorf Foto: Maja Hitij/dpa

Und genau dieses Bewusstsein ist der Punkt: In einer Wohnung, in der ein Mord geschah, würden die meisten nicht wohnen wollen, obwohl man auch dies nicht physikalisch messen kann. Oder würde man ein Ladenlokal kaufen, dessen Vorbesitzer reihenweise pleite gingen?

In China ist man offener für die Geschichte von Orten. Sehr genau erkundigt man sich vor Bau und Bezug eines Gebäudes nach der Vergangenheit des Ortes. Und Immobilien, die kein Feng-Shui-Meister abgesegnet hat, verkaufen sich schlecht bis gar nicht.

Geomantie, eine Unterabteilung des Feng Shui, ist die europäische Variante dieses Wissens über Orte. „Die Kirchenbaumeister des Mittelalters wussten das auch und haben genau überlegt, wo sie ihr Gotteshaus bauten“, sagt Sybille Klank. Auch die „weisen Frauen“ hätten es gewusst. Durch die Verfolgung und Verbrennung sogenannter Hexen sei allerdings viel Wissen verloren gegangen, das sich Geomanten heute wieder aneigneten. Aber es lohne sich, und die Arbeit sei zu hundert Prozent nachhaltig, sagt Sybille Klank. „Wenn ein Ort bereinigt ist, kommt die jeweilige Störung nicht wieder.“

Das hat sie auch privat erfahren: Seit sie das Grundstück bereinigte, sei die Spedition, die sie gemeinsam mit ihrem Mann betreibt, um 50 Prozent gewachsen, sagt sie. Auch auf Lübecks Trave-Insel hat die Geomantin schon mehrere Grundstücke bereinigt. Das reicht zwar noch nicht, um das notorisch verschuldete Lübeck zu sanieren, aber ein Anfang ist schon mal gemacht.

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